Im Predigttext des Buß-und Bettags, mit dem Hinweis auf das Massaker im Tempel, scheint sich der Anschlag in Paris wiederzuspiegeln. In dieser Predigt geht der Blick jedoch nicht nach Frankreich, sondern auf Jesu Ruf zum Bedenken der Ausrichtung des eigenen Lebens. Denn wir sind wie ein von Gott geliebter Baum, der nie weiß, wann der Mann mit der Säge kommt.
(Der Predigttext Lk 13, 1-9 wurde schon als Evangelium gelesen)
Fragen über Fragen
Liebe Gemeinde,
die Frage nach dem „warum“ treibt uns Menschen immer wieder um. Gerade wenn Katastrophen, wenn schlimme Ereignisse unser Fühlen und Verstehen überfordern. Im Predigttext für den heutigen Tag geht es um ein blutiges Massaker, beim dem Pilatus im Tempel mehrere Juden umbringen hat lassen. Mitten im Feiern, genau da, wo sie sich eigentlich am sichersten fühlten – da passierte eine Tat, auf die sich die Menschen damals keinen Reim machen konnten. Sie suchten nach Antworten, nach Erklärungen, suchten nach dem Mitverschulden der Opfer, grübelten nach dem Motiven des Täters.
Und da finden wir Menschen ja immer etwas. Unser Umgang mit dem furchtbaren Anschlägen in Frankreich oder anderen tragischen Ereignissen ist da auch nicht viel anders. Wir versuchen uns etwas zu erklären, ringen um ein Verstehen was etwas, was einfach unerklärbar und unfassbar ist.
Auch als die Menschen mit ihren Fragen zu diesem Blutbad im Tempel von Jerusalem auf Jesus zusteuern, haben sie wohl schon einiges an möglichen Antworten im Gepäck. Wohl auch Erklärungsmodelle, die bei den Opfern ansetzen – die überlegen, was sie falsch gemacht haben könnten. Die raisonnieren, ob deren Tod nicht auch einen guten Grund oder eine gerechte Ursache haben könnte.
Jesus ist an dieser Stelle aber einmal kein verständnisvoller Zuhörer. Sondern er konfrontiert sie mit einer sehr schroffen Antwort:
„Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle anderen Galiläer, weil ihnen so etwas Schreckliches widerfahren ist? Nein, ich sage euch: Wenn
ihr nicht Buße tut, das heißt, wenn ihr euer Leben nicht von Grund auf ändert, werdet ihr auch alle so umkommen!“
Und er erinnert sie an eine andere Katastrophe, die ihnen auch noch gut in Erinnerung ist:
„Oder glaubt ihr, dass jene achtzehn Menschen, die der Turm von Siloah unter sich begrub, weil er ausgerechnet in dem Augenblick einstürzte, als sie vorbeiliefen – glaubt ihr wirklich, dass diese sündiger waren als alle anderen in Jerusalem?“
„Nein, ich sage euch: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr auch alle so umkommen!“
Stelle die anderen Fragen!
Liebe Gemeinde,
Jesus stellt eine Gegenfrage und macht damit deutlich: Eure Fragen gehen in die falsche Richtung.
Ihr fragt nach Dingen, die Ihr niemals ergründen werdet!
Ihr fragt nach den Gründen für Katastrophen, die euer Leben durcheinanderbringen und alles in Frage stellen.
Ihr fragt, weshalb manchmal Menschen scheinbar ungestraft Böses tun können; während die Rechtschaffenen vom Unglück ereilt werden. So sehr euch diese Fragen auch umtreiben: Ihr werdet hier auf dieser Erde keine endgültige Antwort bekommen. Schon allein deshalb, weil ihr nie das Ganze erkennen und verstehen könnt. Euer Horizont umfasst die Zeit zwischen Geburt und Tod, und auch da nur eure sichtbare Welt. Wenn wir wüsstet, was da noch alles ist, wovon ihr keine Ahnung habt …..
Darum fragt nicht, weshalb es einer verdient haben könnte, dass ihm Schlimmes widerfährt. Ihr tut ihm damit unrecht! Ihr macht ihn ein zweites Mal zum Opfer – ihn dem ihr ihm Schuld zuweist; nur weil ihr gerade keine bessere Antwort findet.
Viel eher könntet ihr euch fragen: „Womit habe ich es verdient, dass es mich nicht getroffen hat, wo mein Leben doch kein bisschen besser ist?“ Es ist ein Geschenk, dass ihr noch lebt. So manches Missgeschick hätte auch anders ausgehen können. Und wenn ihr überlegt, ob euer Lebenswandel euch zu lebenswerteren Menschen als andere macht – darüber wollen wir lieber mal gar nicht so offen nachdenken.
„Sonst werdet ihr auch so umkommen“
„Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“ – Diese Worte Jesu klingen schaurig und bedrohlich. Das alte Wort Buße und die Drohung mit dem schrecklichen Tod lässt diesen Satz entsetzlich finster erscheinen. – So, dass man ihn gar nicht ernst nehmen möchte.
Ehrlich gesagt: Ich habe schon überlegt, ob man ihn als gezielte Übertreibung verstehen soll … aber dann habe ich entdeckt, dass er stimmt.
Wenn ich nicht „Buße tue“ , also wenn ich in meinem Leben nicht überdenke, wie ich leben und glauben will; wenn ich nicht immer wieder selbstkritisch über mich nachdenke und an Jesus Christus orientiere, – also wenn es halt ungesteuert irgendwie vor sich hinplätschert ….
Dann wird mein Tod einmal eine furchterregende Katastrophe sein! Weil ich überrumpelt bin, weil ich schon ewig nicht mehr überlegt habe, was mir wirklich wichtig ist, weil das so viel unaufgearbeitet ist. Dann erwischt mich der Tod eiskalt – wie die Menschen, die vom plötzlich umstürzenden Turm von Siloah ins Jenseits befördert wurden.
Luther sagt in der ersten seiner 95 Thesen: Unser ganzes Leben soll eine stete Buße sein. Immer wieder sollen wir bereit sein, unser Leben auf das auszurichten, was zählt – uns an Jesus Christus festhalten, auf ihn unsere Hoffnung setzen.
Der Feigenbaum
Liebe Gemeinde,
Jesu schroffe Antwort in unserem Predigttext endet mit einem sehr schönen Bild: Er erzählt das Gleichnis vom Feigenbaum. Jesus erzählt von einem Winzer, der in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt hatte.
Einer, der nicht so will, wie er eigentlich soll. Aus dem einfach nichts gescheites wird .
Der Winzer klagt seinem Gärtner das Problem: „Schon drei Jahre bin ich hierhergekommen und nie habe ich an diesem Baum Früchte gefunden! Hau ihn um! Er nimmt dem Boden nur Nährstoffe weg und bringt nichts.“
Doch der Gärtner setzt sich für diesen problematischen Baum ein: „Wenn wir das tun, ihn jetzt umsägen, dann war unser jahrelanger bisheriger Einsatz für ihn doch erst recht umsonst! Bitte, gib ihm noch eine Chance! Ich will noch einmal ordentlich umgraben und ihm ordentlich düngen. Wenn das nichts nützt, können wir ihn immer noch umhauen.“
Was bin ich froh, dass ich als Kind Gottes einen himmlischen Gärtner habe, der so viel Geduld mit dem Feigenbaum meines Lebens hat.
Der sieht, wie wenig sich da oft tut.
Der merkt, dass das mit dem stetigen Buße, mit dem regelmäßigen Überdenken meines Lebens nicht so toll klappt.
Der das aushält, dass die Liebe, die er in mich investiert, oft sehr ungenutzt in meinem turbulenten Lebenswirrwarr versickert.
Aber er gibt nicht auf. – Eben weil er mich so lieb hat.
Er gräbt um mich, er düngt, er kümmert sich.
Nur: Ich weiß, dass mein Leben irgendwann zu Ende ist, und ich weiß nicht wann. Irgendwann kommt die Säge …
Darum bin ich gefordert, kritisch auf mich selber zu schauen. Selber mitzugraben, mitzudüngen an meinem Lebens- und Glaubensbaum. Daran zu arbeiten, dass ich mich mit trotz all meiner Schwächen und Fehler angenommen fühle, und bereit wäre, zu jederzeit Abschied zu nehmen von dieser Welt.
Amen
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