Das Hohelied der Liebe im Korintherbrief lässt mich erahnen: Ich werde diesen Ansprüchen an das, was Liebe ist, nicht gerecht. Ich schaffe es nur bruchstückhaft – so ähnlich wie ich das mit dem gestrigen Valentinstag auch regelmäßig in den Sand setze. Von den erotischen Ansprüchen aus „50 Shades of Grey“ ganz zu schweigen.
1.Korinther 13,1-13
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir´s nichts nütze.4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Liebe Gemeinde,
manchmal scheint sich ja alles irgendwie gegen einen verschworen zu haben. Also, an diesem Wochenende haben wir Männer einen ganz schweren Stand: Gestern war Valentinstag – ja, eigentlich müsste man ja da seine Lieben irgendwie verwöhnen, Blümchen besorgen und so … aber dann sagen ja alle (auch die Frauen): Ach, das ist doch eh nur eine Erfindung der Blumen-Industrie. Also lässt du es bleiben. – Aber dann stellt sich heraus: Irgendwie hätte die Liebste daheim doch gerne einen Strauß bekommen, aber damit rückt sie erst raus, wenn der Blumenladen schon geschlossen hat.
Seit Donnerstag kann man weder Zeitung noch Fernsehen schauen, ohne damit konfrontiert zu werden, dass mit „50 Shades of Grey“ ein Erotikfilm ins Kino gekommen ist, der uns beibringt, dass wir jetzt unbedingt daheim im Schlafzimmer mal was mit Fesselspielen ausprobieren sollten. Auch wenn wir eigentlich dazu echt keine Lust haben.
Und jetzt in der Kirche darf ich mir als Predigttext das große Hohelied der Liebe von Paulus anhören, bei dem ich schon beim ersten Hinhören ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich merke – so selbstlos und perfekt bin ich da meistens nicht.
Die hehren Ziele zerbröseln ohne Liebe
Wir merken mal wieder: Die großen Ideale und Ziele – die sind nicht jedermanns Sache; oft sind sie einfach eine Kragenweite zu groß – auch wenn wir manchmal sehnsüchtig nach dem schielen, was Paulus da schreibt:
Mit Menschen- und Engelszungen reden: Die richtigen Worte finden, so argumentieren können, dass mein Gegenüber gar nicht anders kann, als mir zuzustimmen. Geschickt jedem Fettnäpfchen aus dem Weg gehen. – Das wäre schon schön
Wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis: Wenn ich die Fähigkeit hätte, zu verstehen, was auf diesem Planeten gespielt wird, wenn ich sofort erkennen könnte, wo mich jemand hinters Licht führen will. Wenn sich selbst komplizierteste Sachverhalte in meinem Kopf auflösen lassen, wie ein leicht verhedderter Schnürsenkel. Wenn ich dadurch dann in der Lage bin, klar zu beurteilen, was richtig und falsch ist. Nicht immer das elende Hin-und-Hergerissensein. Man, wäre schon was!
Mit Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte – ganz ohne innere Zweifel und Anfechtungen. Mit einem unerschütterlichen Vertrauen in Gottes Güte. Das könnte ich gut gebrauchen.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen – mit grenzenlosem Mut für andere da zu sein, ganz ohne Angst selbst zu kurz zu kommen. Bereit, für den Glauben alles zu tun und alles aufzugeben. Auch ohne dabei den Helden spielen zu wollen: Davon hätte ich gerne mehr.
Lauter ganz zentrale Fähigkeiten für Leben und Glauben. Danach schiele ich und merke: Ein bisschen habe ich von allem, aber eben nur ein bisschen; scheibchenweise. Aber mit dem allem so richtig mit 100% ausgestattet zu sein – das wäre ein Traum.
Oder ein Alptraum. Denn Paulus sagt: Das kannst du alles vergessen; das ist alles nichts wert, wenn dir die Liebe fehlt! Dann kannst du der perfekte Typ, der Bilderbuchchrist mit alles Fähigkeiten, sein, und bist doch ein armseliges großspuriges aufgeblasenes Nichts. Deine geniale Rede klingt hohl, und deine Heldentaten werden nichts und niemanden wirklich bewegen.
Ohne Liebe ist alles nichts! Unser Predigttext nimmt da kein Blatt vor den Mund.
Und so ein bisschen wird mir schwindelig, wenn ich überlege, in welchen Bereichen unserer Gesellschaft und unserer Welt wir fieberhaft daran arbeiten, immer besser, schlauer, effizienter und vernetzter zu werden und zu arbeiten. Und zugleich bleibt die Herzensbildung auf der Strecke. Wenn Tigermamas ihre Kinder mit erbarmungsloser Härte zu Höchstleistungen antreiben – und irgendwann eine seelenlose Intelligenzbestie entsteht, die nicht in der Lage ist, ein weinendes Kind zu trösten, weil Emotionen, Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zur Liebe verkümmert sind. Das kann es ja nicht sein!
Die Liebe verändert das „wie“
Aber was ist denn eigentlich Liebe? So einfach lässt sich das ja nicht beschreiben. Sie ist ja kein Ding wie eine Gitarre; auch kein Zustand wie heiß oder kalt.
Paulus beschreibt die Liebe, indem er erklärt: Die Liebe verändert das „wie“.
Wie ich lebe.
Wie im rede.
Wie ich mit anderen oder mit mir selbst umgehe. Dieses „wie“ wird von der Liebe bestimmt – oder auch nicht.
Schauen wir in unsere Bibel, wie Paulus das beschreibt: Er wirft einen Blick auf verschiedene Bereiche unseres Lebens und beschreibt „wie“ das durch die Liebe geprägt wird.
~ Wie gehe ich mit denen um, die nicht gerade meine besten Freunde sind? – Geduldig freundlich, ohne Aggression.
~ Wie gehe ich mit mir selber um? – Ich stelle mich nicht selber in den Mittelpunkt, kann eigene Bedürfnisse zurückstellen, auch das Bedürfnis, es anderen heimzuzahlen. Und gerade dadurch kann ich viele Enttäuschungen verkraften, ohne zu verbittern.
~ Wie gehe ich mit meiner Welt um? Ich stehe für Gerechtigkeit und Wahrheit ein. Ich habe Vertrauen und bin optimistisch; und zugleich bin ich in der Lage vieles hinzunehmen und tolerieren, was mir eigentlich nicht gefällt.
Liebe Gemeinde,
auch wenn wir damit „Liebe“ als solche nicht beschrieben haben – erkennen wir, wie Liebe wirkt. Da, wo Menschen so gestrickt sind, da ist die Liebe am Werk. Und wir ahnen auch: Wenn das klappt, dann ist das etwas Großartiges.
Alles nur Stückwerk
Aber ehrlich gesagt: ich habe das gleiche Gefühl wie bei der Liste am Beginn der Predigt: Alles, was jetzt gerade beschrieben wurde, erscheint mir richtig und wichtig und gut … nur mit dem kleinen Problem, dass ich da eigentlich immer wieder merke: Das schaffe ich nicht. Das „wie“ der Liebe überfordert mich; wieder ist so, dass ich es nur scheibchenweise hinbekomme. Mal gelingt es ganz prächtig, da bin ich dann auf mich stolz, und dann passieren auch wieder Rückschläge, und ich muss eingestehen, „wie“ ich dies oder jenes gerade gemacht habe, war nicht von Liebe geprägt.
Umso wichtiger sind mir die Worte, in denen Paulus davon spricht, dass wir auf dieser Erde immer nur „Stückwerk“ hinbekommen. Also bröckerlesweise, scheibchenweise. Das Ganze bekommen wir nicht hin.
Er vergleicht das mit einem kaputten Spiegel. Und dieses Beispiel finde ich sehr hilfreich: Wir haben nur Bruchstücke. Selbst wenn wir die noch so schön zusammensetzen: Perfekt wird es nie. Wir werden immer die Bruchkanten sehen, immer wird etwas verschoben, schief und schräg sein. Das ganze Bild, das perfekte bekommen wir nicht hin.
Da wundert es nicht, dass wir uns oft auch selber nicht verstehen. Manchmal ist man sich selber auch ein Rätsel. Warum man so oder so tickt, bestimmte Schwächen nicht los wird, immer in die gleichen Fallen tappt.
Wir leben in einer Bruchstück-Welt. Allerdings mit der Aussicht, dass einmal Gott alles wieder zusammenfügt. In der Welt, die einmal kommen wird.
Da wird aus dem Bröckerles-Mosaik endlich ein ganzes Bild.
Dann haben wir auch die Chance zu verstehen, warum manches auf dieser Welt so ist, wie es ist, und wir werden wohl auch erkennen, warum wir damals es nicht verstanden haben. Und wir werden uns einmal selber wirklich verstehen.
Bis dahin müssen wir mit unseren Bruchstücken zurechtkommen. Mit unseren begrenzten Fähigkeiten und auch damit, dass das mit der Liebe auch nicht immer klappt.
Aber wenn wir unseren Paulus ernst nehmen, ist klar, wo die Prioritäten zu setzen sind: Wenn du die Bruchstücke – deine Talente und Möglichkeiten in die Hand nimmst um das Beste daraus zu machen. Dann denke zuallererst einmal daran, „wie“ du das machst – nämlich mit Liebe. Und wenn du es mit Liebe machst, kann auch aus Bruchstücken sehr sehr viel Gutes entstehen.
Amen
Foto oben: CFalk/Pixelio.de
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