Predigt: Glaube, du bist ein Schatz (Epheser 4, 11-16 ) Pfingstmontag – 12. Juni 2000

Liebe Gemeinde,
unser Predigttext für heute steht im Brief des Paulus an die Epheser:
11 Und der Herr hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer,
12 damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden,
13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi,
14 damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
15 Laßt uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus,
16 von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, daß der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe.

Rolle der Amtsträger: Sie sind Trainer

Ja, es ist Pfingsten, der Geburtstag der Kirche, und schon wird über dieselbe gepredigt, über die Kirche, über die Gemeinde. Und wen wundert es, dass diese Stelle gleich wieder bei denen „da oben“ ansetzt: Und der Herr hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer.
Diese Titel kennen wir heute fast nicht mehr. Heute heißen sie vielleicht „Dekan, Pfarrer, Religionspädagogin, Diakon, Landesbischöfin“. Und Paulus sagt: „Jesus hat sie eingesetzt“: Jesus ist demnach ihr unmittelbarer Vorgesetzter, er hat ihnen ihren Arbeitsauftrag gegeben: und der lautet so: damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden.
Die Heiligen sollen sie „zurüsten“. Die „Heiligen“, damit sind wir alle gemeint: Die Christen, diejenigen, die getauft sind, die sich zu Jesus dazugehörig wissen. Wenn das Neue Testament von den „Heiligen“ spricht, sind eben keine besonders Heiligen oder gar Scheinheilige gemeint. Heilig, zu Gott gehörig sind wir schon durch die Taufe.
Pfarrer, Diakon, Religionspädagogin haben von Jesus einen klar umrissenen Arbeitsauftrag: Die sollen die Christen, zurüsten, „fit machen“ in ihrem Glauben. Das ist ihr Beruf. Vielleicht kann man das mit einem Trainer vergleichen:
Trainer haben eine Ahnung von Fußball,
sie lieben den Sport,
aber sie sind selber nicht die weltbesten Spieler,
wenn Trainer Fußball spielen, dann werden auch sie Fehler machen, und das stört auch keinen. Denn ihre eigentliche Aufgabe ist es, anderen zu helfen, gut Fußball zu spielen.

Pfarrer/Pfarrerinnen sind Trainer des Glaubens,
sie wissen viel über den Glauben, haben studiert,
sie leben ihren Glauben – hoffentlich – leben im Vertrauen auf Gott,
aber sie machen auch Fehler, dürfen sie auch.
Ihre Aufgabe ist es, anderen weiterzuhelfen auf dem Weg des Glaubens.

Wenn wir hier am Sonntag zusammenkommen, dann ist das eine Trainingsstunde im Glauben: Mit Theorie und Praxis: Die Predigt ist dann wohl die Theorie, das gemeinsame Singen als Lob Gottes, die Gebete, das Abendmahl ist dann die Praxis.

Leben aus dem Glauben: Der Dienst

Das eigentliche Spiel, für das wir hier fit gemacht werden, für das wir im Gottesdienst gestärkt werden, das findet nachher statt, draußen vor der Kirchentür. Dieses Spiel heißt „Leben aus dem Glauben“. Wir pflegen hier keine schönen philosophischen Gedanken aus dem Bücherregal für den Abend am Kamin.
Nein, Glaube hat – in meinen Augen – da seinen Platz, wo das Leben sich abspielt. Wo ich lache, wo ich traurig bin; wo ich hektisch hantiere und wo ich mich entspannt zurücklehne: Das will ich mit den Augen des Glaubens erleben, will darauf Freude, Kraft, Trost schöpfen. Und mir auch mal helfen lassen … von meinen Mitspielern zum Beispiel.

Glaube leben, das ist nämlich ein Mannschaftssport. Christen bilden Gemeinden. Der Apostel schreibt ja bildlich davon: Wir sind der Leib Christi: Wir gehören zu Jesus, und das verbindet uns. Als solche Mannschaft sind wir ein starkes Team, sollen füreinander und für andere da sein. Ihnen helfen, sie unterstützen, ihnen vom Glauben weitergeben. Glaube leben heißt auch: Den Nächsten sehen, das Gebot der Nächstenliebe zu praktizieren. Das ist nicht leicht, das kann richtig Arbeit bedeuten. Wörtlich steht hier „Arbeit der Diakonie“, das ist die Aufgabe der Christen. Naja, da könnten wir ja ganz locker bleiben und sagen: Diakonie haben wir ja, sogar als großes kirchliches Unternehmen „das Diakonische Werk“. Wunderbar, aber damit haben wir nicht ausgesorgt. „Diakonie“, also „Dienst“ ist ja mehr als Essen auf Rädern und Krankenpflege. Offene Augen zu haben für Menschen, die vielleicht gerade mich brauchen.

 

Wachsen im Glauben, ein Gewinn auch für mich

Zurück zu uns selber. Was schreibt denn der Apostel über den Glauben, der trainiert, der gelebt werden soll? Damit wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
Ein großer Anspruch, den ich hier heraushöre. Von der Einheit des Glaubens und Erkenntnis höre ich, von Vollendung, vom vollen Maß. – Wer hat das schon? Geht es hier ums Perfekt-Sein? – Wie stehe ich denn da, mit meinem Glauben, den ich habe, mit meinen Zweifeln und Unsicherheiten? Ist mein Normalo-Glaube gar nichts wert? Fast könnte man denken, Paulus will hier die perfekten Christen züchten. Die „Nationalmannschaft des Glaubens“ trainieren. – Aber da würden wir ihn wohl falsch verstehen.
Von jeher hat Paulus gesagt: Glaube ist keine Leistung; es ist das einfache Vertrauen auf Jesus Christus. Und das ist alles, was wir in Gottes Augen brauchen. Mehr nicht.
Wenn wir im Glauben wachsen, so wie es unser Predigtext beschreibt, dann sichern wir uns damit keinen Logenplatz im Himmel. Dann haben wir vielmehr hier auf der Erde etwas davon:
Ich denke da an eine weise Frau. Sie hat viel erlebt, ihr Glaube hat manche Bewährungsprobe überstehen müssen. Jetzt ist sie alt, gereift. Sie weiß, was sie an ihrem Glauben hat. Geschichten kann sie erzählen, von Erfolg und Scheitern, von Freude, Trost und Rettung. Von Zweifeln und auch Verzweifeln.
Sie sitzt daheim, manchmal kommen Menschen zu ihr, einfach so zu Besuch… und dann rückt mancher mit seinen Problemen raus. Er weiß: bei dieser Frau hört man keine leeren Phrasen, keinen billigen Trost. Was sie sagt, ist gedeckt von ihrer eigenen Erfahrung. Sie verspricht keinem das Blaue vom Himmel herab, aber sie hat vielen den Blick zum Himmel geöffnet.
Sie kennt die biblischen Geschichten, die Erzählung von Josef und seinen Brüdern, wie sie ihn loswerden wollten, aber wie Gott dann sein Leben zum Guten wendete. Viele andere Geschichten, die sie gehört oder gelesen hat, helfen ihr, immer wieder neu, Hoffnung zu schöpfen, das Leben als Gottes Geschenk positiv zu sehen. Sie weiß, worauf sie ihr Leben baut. Die Sektenprediger, die sie gelegentlich besucht haben, hat sie freundlich empfangen und auch freundlich wieder gehen lassen. „Ich kenne meinen Glauben, und weiß, das eure Lehre nicht in der Bibel steht“ hat sie ihnen gesagt.
So ein mündiger Glaube, der viel trägt, der auch Ausstrahlung besitzt, der sich nicht von allerlei seltsamen Heilsangeboten irre machen lässt; so einen Glauben, den kann man nicht „machen“, der muss wachsen. Durch Erfahrungen mit Gott, durch das Gespräch über und mit der Bibel. Die Gemeinde ist der Ort dafür. Der Gottesdienst, die Predigt der Pfarrer als „Trainer“, ist ein Weg.
Wo wir in der Gemeinde mitarbeiten, mit dem Evangelium umgehen. In Worten, in der Musik, oder mit den Kindern darüber reden: Das hat Auswirkungen auf unseren Glauben, das vergrößert unseren Erfahrungsschatz. Und wo wir in Hauskreisen in die Bibel schauen, das eigene Leben in den Blick nehmen, miteinander und füreinander beten. .- Oder wo man das gleiche alleine tut:
Auf diese Weise gewinnt unser Glaube, er wird stabil, krisenfest, tut uns selber gut.

Liebe Gemeinde,
Gott fordert von uns keinen heldenhaften Glauben, er will, dass wir unser Leben auf ihn bauen, das ist alles. Dieser kleine Glaube ist ein Schatz. Wir können ihn vermehren, wenn wir ihn in unserem täglichen Leben auch in Gebrauch nehmen.

Amen

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