Predigt: Mittendrin statt nur dabei (Matthäus 7,21) 14. Juli 2002

Liebe Gemeinde,

„Mittendrin statt nur dabei“ – mit diesem Slogan wirbt das „Deutsche Sportfernsehen“ DSF für sein Programm. Ich habe erst ein bisschen gebraucht, bis ich gespannt hatte, worauf sie hinaus wollen.

Beispiel: Tour de France
Es ist gut, wenn man dabei ist; bei einem sportlichen Ereignis wie der Fußball-WM oder jetzt aktuell bei der Tour de France. Man bekommt mit, was passiert, wer führt, wer eine Etappe gewonnen hat, wer ausgefallen ist, und wer sich das Gelbe Trikot überstreifen darf. Man ist dabei! Man weiß Bescheid. Man kennt den Stand der Dinge. Und das geht sogar ganz prima vom Fernseher aus.
Wir daheim – meine Frau und ich – fiebern seit einigen Jahren mit der Tour de France mit. Meine Frau hofft auf das Team Telekom mit Erik Zabel. Ich bin fasziniert von Lance Armstrong, seit ich seine spannende Autobiographie gelesen habe. Wir wissen also Bescheid.

Aber damit bin ich noch lange nicht mittendrin!! Auch nicht, wenn wir direkt an der Rennstrecke  stehen. Vor 2 Jahren haben wir das erlebt. Bei der Deutschlandtour waren wir direkt am Zieleinlauf, so 150 Meter vor der Ziellinie. Über ne Stunde vorher waren wir da .. standen in der ersten Reihe .. haben gewartet und gewartet … dann war es soweit, und in ein paar Sekunden war der ganze Zauber vorbei. Farbige Trikots sind an uns vorbei gezischt. Mehr war nicht zu sehen. Da waren wir also zwar dabei … aber nicht mittendrin.

Mittendrin bin ich, wenn ich nicht im  Fernsehsessel, nicht auf der Tribüne sitze, oder an der Absperrung stehe sondern wenn ich mittendrin mitfahre – mitkämpfe. Wenn ich selber am Hinterrad  meines Vordermanns hänge; wenn ich zusammen mit den schnellsten meines Teams einen Ausreisversuch unternehme. Dann bin ich mittendrin, da geht die Post ab.
Da ist dann auch nichts mehr mit gemütlich Salzstangen knabbern und Weißbiertrinken.  Da muss ich mich selber bewegen, schwitzen, arbeiten. Aber das macht nix: Ich gehöre dann ja dazu!

Beispiel Fußball-WM

Liebe Gemeinde
mittendrin ist was anderes als nur dabei.
Eigentlich klingt es ja ganz ähnlich. Aber in Wirklichkeit sind da Welten dazwischen.

Ich fand das so verrückt, als es ins Finale der WM ging: „Werden wir Weltmeister?“, das war die  alles bewegende Frage. Ich hätte es schon vorher sagen können: „Wir werden nicht Weltmeister!“. Wie denn auch? Allerhöchstens wird eine deutsche Mannschaft von nicht mal 3 Dutzend Männern Fußball-Weltmeister. Aber wir – Du und Ich? Also ich bin weder Weltmeister noch Viezeweltmeister: Ich habe da in Japan nicht mal einen Ball angefasst…
Ich war nur von Ferne dabei. Weltmeister sind diejenigen, die da gespielt und gewonnen haben, die waren mittendrin und die haben es auch verdient.

Wie ist das mit dem Glauben?
Wie ist es denn mit dem Glauben? Gibts da auch ein „mittendrin“ und ein „nur dabei“? Kann man da auch unterscheiden zwischen denen, die mitspielen und denen, die nur zuschauen?
Wer ist da näher dran, wer ist weiter weg, wer hat die Spielerlizenz und wer eine Dauerkarte?

Wer die Augen aufmacht, der merkt, dass Menschen ganz unterschiedlich zum Glauben und zur Kirche stehe. Ich möchte euch einmal einen Versuch vorstellen, der das mittendrin und dabei versucht in Worte zu fassen.

1. Ich fang mal außen an: Da gibt es welche, die sind weder mittendrin noch dabei, nämlich gar nicht dabei. Die wissen wohl, dass es eine Kirche gibt, aber so jemand wie Gott ist ihnen egal (oder zumindest unheimlich genug), so dass sie damit gar nichts zu tun haben wollen. Aus der Kirche sind sie längst ausgetreten, oder waren noch nie Mitglied.  – Also Kategorie 1: Nicht mal dabei

2. Die nächste Gruppe ist zumindest irgendwie dabei. Ist getauft, Kirchenmitglied, weiß wo die eigene Kirche steht. Ist aber der Überzeugung, dass es ganz gut so ist, dass die Kirche dort steht und man selber woanders. Dann hingehen muss man ja nicht unbedingt, zumindest nicht allzuoft pro Jahr. Kategorie 2: Kirche finde ich gut; nur den Weg dorthin finde ich nicht.

3. Numero drei: Das sind die Leute, die wir Pfarrer lieben: Menschen, die da sind, dabei sind. So wie Sie: Sie sitzen hier, singen mit, hören zu.  Aus ganz verschiedenen Gründen kommen sie in die Kirche.  Die einen, weil sie sich etwas für die kommende Woche erhoffen, Mut, Gemeinschaft, Hoffnung. Angeblich sollen auch Leute dabei sein, die nur hingehen, um gesehen zu werden – aber das halte ich für ein gut gepflegtes Gerücht. Also Kategorie 3: Die sind wirklich mit dabei.

4. Und wer ist mittendrin? Wer sind die Spieler auf dem Feld, wer dreht in der Gemeinde mit am Rad? Das ist eine relativ kleine Gruppe. In ganz verschiedenen Aufgaben wuseln sie mit. Die einen machen Musik, die anderen machen einen Sketch. Wieder andere denken intensiv nach und bereiten etwas vor, oder wischen nach einem Gottesdienst den Boden feucht raus. Sie alle werden gebraucht. Also Kategorie 4: Die Mannschaft einer Gemeinde; die den Laden irgendwie am Laufen hält. – Da gehört dann der Pfarrer auch irgendwie dazu.

Das klingt bis jetzt so richtig einfach und übersichtlich.  Ein Schema von mittendrin, über regelmäßig dabei, und fast nie dabei bis gar nicht dabei. Und innerlich spüre ich da auch eine Wertung: Von sehr gut, über mittelmäßig bis ganz schlecht; je nachdem, wie sehr einer „dabei ist.“

Der entscheidende Faktor fürs „mittendrin“

Aber das ist bisher nur die halbe Miete! Ich habe mit meinem Schema von eben einen ganz wichtigen Faktor übersehen. Es gibt eine Bibelstelle, die finde ich da ganz passend:
Mt 7, 21: Jesus sagt da:
Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern  die den Willen tun meines Vaters im Himmel.   Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr,  haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan?  Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!

Wem sagt Jesus das? Denen, die nur dabei sind? Nein! Er sagt das denen, die eigentlich doch mittendrin waren!
Da gibt es Leute aus der angeblich Top-Kategorie, aus der Superduper-Mannschaft; die haben mitgearbeitet, rumgerödelt, tolle Sachen auf die Beine gestellt – und denen muss Jesus sagen: Sorry, kennen wir uns? Haben wir schon mal miteinander gesprochen?
Ach, du warst in meiner Mannschaft – warum weiß ich nicht davon?

Jetzt sind wir an dem spannenden Punkt: Ob ich vor Gottes Augen mittendrin, oder nur dabei bin, hängt nicht davon ab, ob ich bei dem Team der Kirchengemeinde aufgestellt bin, sondern, wie ich innerlich eingestellt bin.
Die entscheidende Frage in meinem Leben ist: Bin ich für Gott mittendrin, oder bin ich nur Rande dabei?  Sehe ich den Himmel von innen, oder muss ich von außen zugucken?

Es geht um eine Beziehung
„Ich habe euch noch nie gekannt“ sagt Jesus. Ich denke der Satz bringt uns auf die richtige Spur: Es geht um eine Beziehung. Kennt mich Jesus Christus? Haben wir beide vielleicht eine Geschichte miteinander.
Es gibt viele Menschen, die haben ihre Geschichte – ihre Beziehungsgeschichte – mit ihrem Gott. Die ist nicht immer glatt!
Bei manchem Menschen fängt das im Kindergarten an, mit den vielen Jesusgeschichten, wo alles so klar und problemlos war. Dann kommt die Schulzeit … da wird vieles komplizierter, auch der Glaube steht auf dem Prüfstand. Bei einigen fliegt er dann über Bord, als Kinderkram. Aber etliche bleiben dran – mittendrin in dieser Beziehung zu ihrem Gott. Da können auch mal die Fetzen fliegen, manchmal verstehe ich meinen Gott nicht. Da bin ich auch mal sauer und enttäuscht, und versuche nach einiger Zeit wieder mit meinem Herrn ins Reine zu kommen.

! Da gehts rund, da spielt sich was ab. Wer das erlebt, der ist mittendrin, und nicht nur als Zuschauer dabei.

Mittendrin – das kostet was
Mittendrin bleiben, in dem was Glauben heißt; was man Beziehung zu Jesus Christus nennen kann, das ist nicht immer einfach.
Denn um in der Mannschaft Gottes mitzuspielen, muss man für sich klar kriegen, was Vorrang hat: Nämlich dass ist dazugehöre. Das hat oft Folgen für das eigene Verhalten. Manche Dinge kommen dann nicht mehr in die Tüte, weil sie Gottes Willen widersprechen.

Oder umgekehrt kommt manchmal auch Arbeit dazu: Wenn jemand Feuer fängt für eine Aufgabe und zum Beispiel so einen Gottesdienst mit vorbereitet. Das ist Arbeit, das braucht Energie und Zeit, da bleibt auch mal was anderes liegen.

Aber man spürt: Ich bin mittendrin! Nicht deshalb, weil ich zum erlauchten Kreis der Mitarbeiter, Kirchenvorsteher und Pfarrer gehöre. Sondern weil Gott die Mitte meines Lebens ist.
Und das kann ich auch, wenn ich nicht zu denen gehöre, die jeden Sonntag die Kirche stürmen.
Ich denke an eine alte Frau, die fast nie in der Kirche ist. Der Weg ist zu weit und die Knie zu wackelig. Aber sie hat ihre persönliche Geschichte mit ihrem Gott, durch Dick und Dünn. Sie ist mittendrin, obwohl sie in der Gemeinde nicht mehr wirklich dabei ist.

Mittendrin, statt nur dabei – wo ich stehe, das entscheidet sich in meinem Herzen.
Auch wenn‘s von außen unsichtbar bleibt, so eine Entscheidung muss jeder irgendwann mal treffen.
AMEN

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