Predigttext:
So zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot auch mit ihm, ins Südland.2 Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold. 3 Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai, 4 eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an. 5 Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte. 6 Und das Land konnte es nicht ertragen, daß sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß, und sie konnten nicht beieinander wohnen.7 Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande. 8 Da sprach Abram zu Lot: Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. 9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. 10 Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich, bis man nach Zoar kommt, wie der Garten des HERRN, gleichwie Ägyptenland. 11 Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern, 12 so daß Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan. Und Lot zog mit seinen Zelten bis nach Sodom.
Liebe Siebenergemeinde,
Abraham und Lot in Kanaan
Abraham und Lot, die beiden Urväter des Alten Testaments, hatten einiges hinter sich. Aus seiner Heimat Ur im heutigen Irak war Abraham aufgebrochen, um sich in der Ferne eine neue Existenz aufzubauen.
Eine mutiges Unternehmen, in der damaligen Zeit sicher lebensgefährlich – aber er wagte es. Er war sich sicher: “Gott hat mich losgeschickt, er wird mich auch segnen und begleiten”. So kommt er mit seiner Familie, seiner Frau, seinem Neffen Lot, seinen Knechten und Mägden und dem Vieh auf Umwegen und durch riskante Situationen schließlich in das Land, in das er sich berufen sieht.
Auf der Hochebene, zwischen Mittelmeer und Jordan; etwa 20 Kilometer nördlich des heutigen Jerusalem – dort lassen sie sich nieder.
Es ist das Glück des Auswanderers: Den Blick schweifen zu lassen über Täler und Höhen, die Weite des Landes zu erleben. Den Zauber des Neuanfangs auszukosten.
Aber das alles hält nicht lange vor. Der karge Boden gibt nicht so viel her, wie sie sich erhofft hatten. So gab es immer wieder Streitigkeiten zwischen den Hirten des Abraham und den Hirten, die die Herden des Lot hüteten. Wer hat das Recht, seine Tiere auf eine frische Wiese zu schicken? Abraham, als der Ältere, der Wohlhabendere? Oder Lot, als der derjenige, der engagiert mit Eifer und viel Ehrgeiz große Zuchterfolge feierte, aber dafür auch optimales Futter benötigte?
Jeder wollte Recht haben – zwischen den Hirten der beiden war es schon zu wilden Schlägereien gekommen. Und auch zwischen beiden Clanchefs – Abraham und Lot – war das Klima eisig geworden. Man sprach weniger miteinander als sonst.
So wie kürzlich: Wie im Vorbeigehen hatte Lot seinem Onkel Abraham diesen Satz wie einen feuchten Lappen hingeschmissen “Ja eigentlich hatte ich schon seit letzter Woche geplant, an der Oase bei Ai meine Lämmer unterzubringen, heute sollte es losgehen – jetzt sagen meine Hirten, dass deine Leute sich dort eingerichtet haben. Früher hätten wir sowas miteinander geplant … naja… aber du hast es anscheinend nicht mehr nötig…..”
Der Konflikt in Abraham
Solche Sätze lassen Abraham nicht mehr schlafen. Er spürt, dass hier ein Krieg im Entstehen ist. Ein Nervenkrieg zweier Männer, die mit großen Hoffnungen hier angefangen haben und nun spüren, dass es miteinander nicht mehr geht.
Abraham hat lange überlegt, wie es weitergehen kann. Letztlich sieht er nur einen Weg: “Wir müssen uns trennen; das Weidegebiet untereinander aufteilen. Jeder wird dann sehen müssen, wie er damit zurecht kommt. Wir müssen zwischen uns eine Grenze ziehen. Nur so werden wir Frieden schaffen.”
Liebe Siebener,
dieses Manöver des Abraham klingt so einfach – aber das war es beileibe nicht. Denn die Frage war: Wer bekommt welche Hälfte des Landes?
Da gibt es den steinigen, trockenen Westen, über den der Wind heiß hinwegpfeift. Und da ist der Hang zum Jordantal hinab, über mehrere Kilometer zieht er sich hin, mit vielen grünen, saftigen Flächen, die sogar einen erfolgreichen Ackerbau versprechen. Wer bekommt welchen Abschnitt?
In der Nacht, bevor Abraham dem Lot die Grenzziehung vorgeschlagen hat, wird er viel darüber nachgedacht haben. Lot wird sicher nicht bereit sein freiwillig, den trockenen Westen zu nehmen. Denn er scheint unter der momentanen Situation nicht so sehr zu leiden wie sein Onkel Abraham.
Es bleiben ihm nur zwei Optionen:
Entweder so weitermachen wie bisher, oder um des Friedens willen bereit zu sein, das unattraktive Land im Westen zu nehmen.
Und Abraham ringt sich zu einer Entscheidung durch: Er ist bereit, eine Trennung zu vollziehen und zu verlieren, um Frieden wieder herzustellen.
Womit Abraham in dieser alten Geschichte kämpft, das durchleben auch heute viele Menschen: Die Frage: Bin ich bereit, um des Friedens willen eine Grenze zwischen mir und dem Anderen zu ziehen. Uund bin ich bereit nachzugeben, aus einer Auseinandersetzung als Verlierer herauszugehen?
Nachgeben – Ein schwieriger Weg
Bei Abraham wirkt das so souverän. Er bietet dem Lot an, auszuwählen, welches Stück Land er möchte. Der entscheidet sich natürlich für das offensichtlich attraktivere – und die Sache scheint ausgestanden.
Aber in unsere Erfahrung sieht das ganz anders aus. Es tut weh, wenn man als “Verlierer” den Boxring verlässt. Man ist enttäuscht, fühlt sich gedemütigt, sinnt manchmal auf Rache – zumindest im Kleinen.
Anscheinend sind wir Menschen auf “gewinnen” programmiert. Vielleicht hat das etwas mit der Evolutionstheorie Darwins zu tun; der Vermutung, dass nur der Durchsetzungsstarke auch wirklich eine Zukunft hat. – Gibt es darum so viele menschliche Platzhirsche, die sich ihr Revier niemals streitig machen lassen wollen?
Der Klügere gibt nach – sagt das Sprichwort.
Warum sollte er nachgeben?
Weil er erkannt hat, dass es Wichtigeres und Wertvolleres gibt als das Gewinnen!
~ Wo einer aufgehört hat immer wieder zurückzuschlagen, hat er Schlimmeres verhindert.
~ Wo man sich daran erinnert, dass König Pyrrhus einst die Römer besiegte, dabei aber fast sein gesamtes Heer aufrieb; und mit nur wenigen geschundenen Überlebenden zurückkehrte – ein Sieger, der mehr verloren hat als mancher Verlierer.
~ Wo einer erkennt, dass der Frieden im Haus und auf dem Hof ein unschätzbares Gut und Geschenk ist.
~ Wo sich einer erinnert, wie er einst mit aller Kraft für etwas gekämpft hat, weil er sich im Recht sah … und erst später erkannt hat, dass er sich völlig verrannt hatte. Wer das erlebt, lernt skeptisch gegenüber sich selbst zu sein.
Nachgeben als gesegneter Weg
Abraham und Lot – der Eine ist bereit um des Friedens willen nachzugeben, der Andere sucht sich das Filetstückchen aus.
Wer Sieger oder Verlierer ist- das erkennt man manchmal erst auf den zweiten Blick! Denn die Gegend, in die Lot zieht und in der er sich ausbreitet offenbart in den folgenden Jahren ihre Gefahren. Einmal wird Lot von einem fremden durchziehenden Soldatenheer verschleppt. Nur durch eine wagemutige Aktion Abrahams wird er gerettet und kommt mit dem Leben davon. Später wird sein Land ein Raub der Flammen, als die Städte Sodom und Gomorra durch einen Feuerregen zerstört werden. Seine Frau bleibt bei der Flucht als Salzsäule auf der Strecke. Schließlich sitzt Lot wieder bei Abraham auf den Hochebene im Westen, ohne Hab und Gut.
Unsere Bibel erzählt das ohne einen Hauch von Schadenfreude. – Ganz nüchtern. Und auch Abraham kennt dieses Gefühl hier nicht. Damals, als sie sich getrennt hatten, hat Abraham gewusst, was er wollte: “Frieden” – und er kannte den Preis dafür: Die Bereitschaft das trockene Land im Westen zu wählen.
Er hat auch als scheinbarer Verlierer für sich gewonnen – nämlich den Frieden. Darum gab es keine offene Rechnung; kein Rachegefühl und keine Schadenfreude.
Jesus als Prototyp des siegenden Verlierers?
Von diesem Punkt aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Jesus, der diese Haltung bis zum Letzten gelebt hat. Seine Bergpredigt ist davon durchzogen.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen – sagt er in einer Welt in der man schon damals den Eindruck hatte, dass es die Skrupellosen sind, die sich die Welt unter den Nagel reißen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen – spricht er obwohl sich ein kriegsführender Kaiser wie ein Gott verehren lässt.
Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel – das sagt er zu Menschen, die in dieser Situation normalerweise schon auf dem Weg zum Rechtsanwalt wären.
Und doch nicht …
So langsam könnte man den Eindruck haben: Mit dem kann man ja alles machen, den nimmt ja alles hin [Pause] … wenn da nicht dieser handfeste Skandal wäre, den wir ihm mit unserem soften Jesusbild gar nicht mehr zutrauen:
Im Vorhof des Tempels ist das passiert: Da sitzen in aller Ruhe, so wie seit Jahrzehnten, die Geldwechsler und Opfertierhändler und gehen ihren Geschäften nach. Und in diese Idylle fährt Jesus wie ein Tornado hinein, schreit, tobt, schlägt und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Er scheint sich zu vergessen. Alles was der durchschnittliche Bildungsbürger an Jesus mag, ist da wie weggeblasen. Keine Sanftmut, keine Friedfertigkeit, keine linke Backe.
– Was ist da bloß passiert?
Die Idee mit der Grenze
Liebe Gemeinde,
ich glaube, das war kein zufälliger Ausraster. Da gibt es einen ganz bestimmten Grund. Ich möchte das mit dem Bild einer Grenze ausdrücken – denn da sind sie als Siebener ja Spezialisten. – Und ich hoffe, sie sehen drüber hinweg, wenn ich das jetzt recht laienhaft erkläre.
Draußen auf der Flur ist eine Grundstücksgrenze zunächst mal für mich als Normalbürger unsichtbar.Genau wissen kann ich es erst, wenn ich meine Grenzsteine aufdecke und nachsehe. – Dann ist klar, wo die Grenze ist, wieweit ich ackern kann … und ab wo Schluss ist.
Ich denke, wir Menschen haben auch Grenzen in uns selber: “Ich lasse mir ja so einiges gefallen; aber das hat ja alles seine Grenzen”, und dabei hebt einer warnend den Zeigefinger. “Wenn mir einer zu weit geht; dann aber….bekommt eŕs mit mir zu tun”. -Diese Grenze haben wir.
Jetzt frage ich mich: Wie finde ich denn da die Grenzsteine? Ich vermute, da liegt so einiges in mir herum, wo man dran stoßen könnte, und es für eine Grenze halten könnte. Ich denke: Da wird so mancher innerer Granitbrocken mit der Aufschrift “Eitelkeit” oder “Selbstbewusstsein” oder “Angst” mit einem echten Grenzstein verwechselt.
Für Abraham in seinem Konflikt mit Lot das war ein Brocken “Recht des Älteren” im Weg, genauso wie sein Stein “Recht auf optimale Lebensbedingungen”. Aber die waren für ihn keine Grenzsteine. Die haben keine Grenze markiert, die er nicht hätte überschreiten können.
Er hat nachgesehen, wo seine echte innere Grenze ist, und hat gemerkt: meine innere Grenze war da noch lange nicht überschritten.Darum konnte er ohne inneren Gesichtsverlust nachgeben, konnte er auch einmal verlieren. Da fällt ihm kein Zacken aus der Krone.
Und bei Jesus sehe ich das auch so. Viele Anfeindungen hat er hingenommen, als wenn nichts wäre. Sein “Ego” selbst sein Leben war für ihn nicht die Grenze. Wobei ich glaube, dass er am Gründonnerstagsbend im Garten Gethsemane noch einmal innerlich ganz intensiv nachgraben musste, ob es denn wirklich kein echter Grenzstein ist.
Für ihn war die Heiligkeit Gottes ein echter Grenzstein – darum diese Szene im Tempelhof. Da wurde für ihn die Grenze verletzt. – Da ist er losmarschiert und hat den Menschen die Grenzen augzeziegt.
Und wo liegen deine Grenzen?
Liebe Gemeinde,
wir sitzen hier als normale Christenmenschen; nicht als Jesus.
Unsere Grenzen liegen wahrscheinlich nochmal woanders.
Aber es ist wichtig, dass wir diese Grenzen finden und respektieren.
Vielleicht fangen Sie beim nächsten Konflikt in sich einmal zu graben an, um zu entdecken, wo wirklich ihre echten Grenzen liegen, über die es nicht drübergeht. Und um zu entdecken, wo einfach Steine liegen, die uns einengen, aber keine echten Grenzen markieren. Manchmal ist es wirklich der eigene Stolz. Es ist befreiend, solche Nicht-Grenzen zu überschreiten und damit so manchen Weg zum Frieden zu gehen.
Aber auch das gehört dazu: Zu entdecken, wo die echten Grenzen sind, die wir um Gottes willen nicht überschreiten sollten.
Manchmal muss man dazu so eine Art inneres Siebenergeheimnis ausbuddeln. Die Dinge zu finden, die mich als Menschen und Christen ausmachen.
Der eine findet da vielleicht seine Taufe, oder das Versprechen, das er bei der Konfirmation gegeben hat. Der Andere wird entdecken, wie das “ja” bei der eigenen Trauung damals teil dieses Geheimnisses ist. Mag sein: Die Liebe zu seiner Heimat, die Treue zu seinem Gott.
Ich denke, wir können von Abraham und Jesus an dieser Stelle etwas ganz Einfaches und zugleich sehr Schwieriges lernen.
Wen man weiß, was das Siebnergeheimnis der eigenen Seele ist, der hat die große Chance die eigenen echten Grenzen tapfer zu verteidigen und die eigenen unechten Grenzen auch mutig zu übertreten.
Amen
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