Predigt: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist (Psalm 36,6) 15. Oktober 2006, Taufe von Hanna

Psalm 36,6: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Liebe Eltern, liebe Patin, liebe Großeltern, liebe Taufgemeinde.

Wenn wir Kinder taufen, ist das etwas, wo ganz vieles verschiedenes mitschwingt. Es ist ein Fest, das mit Glauben zu tun hat – und zugleich auch ein Familienfest. Wenn wir ihre Hanna und die ganze Familie unter Gottes Segen stellen, hat das auch viel mit Hoffnung zu tun; mit der Erwartung, dass Gott uns Menschen begleitet.

Der Taufspruch, den Sie für ihre Hanna ausgesucht haben, ist einer, der den Blick zu diesem Gott erhebt, von dem wir uns so viel erwarten:

Im Psalm 36,6 heißt es da:

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Zwei große Begriffe werden da mit der Weite des Himmels in Zusammenhang gebracht. Auf diese beiden möchte ich heute Vormittag einmal genauer schauen.

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist. Die Güte Gottes – ein schönes Wort, in dem so viel steckt, dass man es erst einmal wie eine Blüte entfalten muss. Einige dieser Blütenblätter wären da wohl
~ die Liebe Gottes zu uns Menschen;
~ oder dass er sich um uns kümmert, uns diese Welt geschenkt hat, von der wir leben.
~ Und auch die Erfahrung, dass er uns in seiner Güte behütet und beschützt.

Wir wünschen uns – und auch Ihrer Tochter – dass Gott diese Güte über uns Menschen ausstreckt, wie den blauen Himmel über uns. Dass ihre Hanna, egal wo sie unter Gottes Himmel gerade ist, die Güte Gottes, seine Liebe, Fürsorge und Schutz spürt.

Dass das keine Vollkaskoversicherung fürs Leben ist, wissen wir aber auch. Und da finde ich die biblische Erzählung von Josef ganz wunderbar. Denn die versteht sich als Lebensgeschichte eines Mannes, der in seiner Lebensmitte zurückblickt und meint: “Ja, Gott hat es gut mit mir gemeint”. Eigentlich ein wunderbares Gütesiegel für ein Leben.

Aber, weil die meisten von uns die Josefsgeschichte schon seit der Grundschule kennen, wissen wir, dass bei Josef – obwohl Gott es gut gemeint hat – nicht alles nach Wunsch lief.

Von seinen Brüdern wurde er buchstäblich verraten und verkauft.
Als junger Mann gerät er in die Zwickmühle zwischen seinem Chef und dessen untreuer Gattin.
Zwischendurch landet er für einige Zeit sogar unschuldig im Gefängnis.

Letztlich hat sich aber doch auch das Schlimme zum Guten gewendet. Josef hat die Kurve gekriegt und einen einflussreichen Posten bekommen, durch den er sogar später seinen Brüdern das Leben retten konnte.

Und im Rückblick sagt er: “Gott hat es gut mit mir gemeint”. Die Güte Gottes hat Josef auch im fernen Ägypten nicht verlassen – und trotz aller Widrigkeiten ist Josef glücklich geworden.

Das finde ich bedenkenswert: Wenn ich von der Güte Gottes rede, handelt es sich vielleicht nicht um eine Momentaufnahme meines Lebens, sondern eher um die Zusammenschau das Ganzen. Die Güte Gottes macht das Leben nicht zum Spaziergang, aber letztlich haben wir die Aussicht, dass auch wir sagen können: “Ja, gut hat Gott es hinbekommen – seine Güte reicht, wo weit der Himmel reicht”.

 

Und: “Seine Wahrheit reicht, so weit die Wolken gehen”. Damit sind wir bei der zweiten Hälfte des Taufspruchs und dem zweiten gewichtigen Begriff: Die Wahrheit Gottes … was könnte sich da heraus entfalten? Ich höre da heraus, dass ich mich auf ihn verlassen kann, dass er glaubwürdig ist, dass ich mein Vertrauen nicht umsonst auf ihn setze.

 

Da kommen wir in ein ganz spannendes Feld: Die Verlässlichkeit Gottes und mein Vertrauen. Das ist ein kniffeliges Zusammenspiel, bei dem oft nicht so klar ist, ob beides auch zusammenkommt.

Auf der einen Seite spricht die Bibel davon, dass wir Gott vertrauen können, dass er verlässlich ist. Grenzenlos … so weit die Wolken gehen. Ich gebe zu: Das ist ein Versprechen, das ungeheuer wuchtig ist, dass es einem entweder unheimlich oder nicht so ganz glaubwürdig erscheint.

Und auf der anderen Seite? Da bin ich mit meinem bisschen Vertrauen, das immer auch durchzogen ist Vorsicht und Skepsis. Sich mit Haut und Haaren auf irgendetwas oder irgend jemanden verlassen ist nicht unser Ding.

Woran liegts? Wohl daran, dass Vertrauen eine Pflanze ist, die langsam im Menschen heranwachsen muss. Vertrauen ist bei einem Baby nicht einfach da, wie die Nase im Gesicht, sondern es muss sich Schrittchen für Schrittchen entwickeln. Und dabei muss man sehr behutsam sein, denn dieses Pflänzchen “Vertrauen” reagiert sehr empfindlich darauf, wenn man es verletzt.

Vertrauen soll auch in Ihrer Hanna wachsen. Langsam Stück für Stück. Und die ersten Lebensmonate und -Jahre sind da ganz wichtig für sie. In dieser Zeit entwickelt sie das Urvertrauen, das sie als Grundlage braucht, um zu Menschen und zu Gott eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Je mehr sie erlebt, dass sie sich auf ihre Eltern, ihre Umgebung verlassen kann, umso mehr kann ihre Fähigkeit wachsen, zu vertrauen. Auf Sie als Eltern, auf ihre Verwandten, auf Gott und auf sich selbst. Ja, das Selbstvertrauen ist auch eine Form des Vertrauens.

Hier ist Ihre Rolle als Eltern natürlich ganz prägend, da erzähle ich Ihnen nichts neues.

Und Sie sind es – zusammen mit der Patin – auch, die helfen können, dass in ihrer Hanna ein Grundvertrauen auf Gott heranwächst. Das Bewusstsein, dass sich über ihren Kopf ein Himmel erstreckt, der in seiner Weite der Maßstab der Güte und Verlässlichkeit Gottes ist.

 

Und da komme ich so langsam zum Schluss.

Denn das, was diesen Bibelvers so attraktiv macht, ist ja der weite Horizont, den er aufmacht: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Da sehe ich einen Himmel, der sich weit ausstreckt, in alle Himmelsrichtungen – und egal, wohin mein Lebensweg mich führt, ich habe immer diesen Himmel über mir – bin nicht allein, auch im letzen Eck unseres Planeten. Und darin sehe ich einen großen Wert: Wenn man als Mensch das Gefühl hat, dass man viel Bewegungsfreiheit besitzt – weil man Gott an seiner Seite hat.

Ich wünsche ihrer Hanna, das sie das lernen und erleben kann: Das Gefühl, einen Gott zu haben, der sie liebt und dem sie vertrauen kann.

Amen

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