Immer, wenn er auf der schmalen Pritsche in seiner Zelle lag, wanderte sein Blick über die Worte und Sätze, die die früheren Insassen an die Wand gekritzelt hatten. Teils mit Kreide, manche wurden auch mit einem spitzen Gegenstand in den Mörtel der Wand geritzt.iebesschwüre, Hasstiraden, alles war auf den 5 Quadratmetern vertreten.
Und er dachte sich: H ätte ich doch lieber nur geschrieben und nichts gesagt – den Mund nicht so weit aufgemacht. Jetzt sitze ich hier, weil ich den Mächtigen zu gefährlich wurde. Kein Mensch weiß, was aus mir wird, ob und wann ich einmal von einem Richter angehört werde.
Und was ist, wenn sie mich holen und verhören? Was soll ich tun?
Lieber schweigen, nichts sagen, nur nicht anecken – oder soll ichs doch wagen, meine Meinung zu sagen – die unbequeme Wahrheit laut aussprechen?
„Soll ich das sagen, was gesagt werden muss – oder halte ich mich zurück?”
Das fragt sich mancher Regimekritiker in China.
Da grübelt mancher christliche Missionar in Pakistan.
Und die Frage hat auch Paulus umgetrieben, als er vor fast 2000 Jahren durch Kleinasien gezogen ist, um die Botschaft von Jesu Auferstehung weiterzusagen, um für den christlichen Glauben zu werben. Denn er stieß mit dem, was er sagte nicht überall auf Zustimmung. Was er sagte, war vielen Leuten unangenehm:
Er forderte sie heraus, umzudenken.
Er erwartete, dass man Stellung bezieht.
Er hoffte, dass Menschen sich taufen lassen und ein Leben als Christ führen.
Manchmal f ührte ihn sein Engagement auch ins Gefängnis, er wurde oft angegriffen, einmal gelyncht und entkam nur knapp dem Tod.
Solche Leute, die unbequemes – aber notwendiges – sagen, hatten damals und haben heute keinen leichten Stand. Sie brauchen Durchhaltevermögen und jemanden, der ihnen Mut macht.
Dem Paulus ist das zuteil geworden: In der Apostelgeschichte wird beschrieben, dass er in einer schwierigen Situation nachts eine Erscheinung, eine Vision, hatte, in der Gott ihm sagt: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin bei dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden. (Apg 18, 9-10)
Genau so einen Satz hat er in diesem Moment dringend gebraucht. Einen Satz, der Mut macht, das zu sagen, was gesagt werden muss. Und diese Worte sind der Taufspruch für Paula: Ein Mutmacher für die richtigen Worte.
Reden und Schweigen
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Ich weiß nicht, wo dieses Sprichwort herkommt, und ich weiß, es hat seine Berechtigung.
Gestern erst hab ich mir einen wirklich dämlichen Kommentar von jemanden, den ich noch nie vorher gesehen habe, anhören müssen. Am liebsten hätte ich … aber ich habs mir dann verkniffen. Und es war richtig. Eine Diskussion über den Unsinn, den der Mensch da von sich gegeben hat, hätte nichts gebracht, außer dass ich mich erst richtig aufgeregt hätte. Ich habe im Laufe des Tages noch 4 mal innerlich drüber den Kopf geschüttelt – und es war für mich ausgestanden..
Manchmal ist es sicher ratsam: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Aber ich glaube, es ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Oft genug ist doch das Reden die wertvollere Münze. Und jeder weiß, dass man mal etwas sagen müsste. Dass das so nicht richtig läuft, dass das so nicht weitergehen kann.
– Klar, kann man an die große Politik denken …
– Aber oft genug ists vor der eigenen Haust üre, wo man mal was sagen müsste, weil man sich über etwas ärgert, weil einem bei Freunden oder Nachbarn etwas auffällt, worüber man mal reden müsste.
– Oder in der eigenen Familie, bei den eigenen Kindern, den Eltern, einen nahem Verwandten.
„Ich müsste mal mit ihm reden, vielleicht hat er noch gar nicht selber gemerkt.” Und ich merke, dass ich mir selber prophezeie: Es wird der Tag kommen, wo der Andere dir, oder du dir selber sagen musst: „Hätt́st halt was ǵsacht”.
Aber der Schritt hin zum Reden ist manchmal dann oft doch ganz schwer. Weil wir in und mit Beziehungen leben und viele Menschen scheuen sich davor, mit einem klaren Wort einen Konflikt zu entfachen, der das gute Miteinander in Frage stellt.
Und so wird geschwiegen – und manches schwelt über Jahre weiter.
Vielleicht wie bei Herrn Meier:
Herr Meier hat Gäste und er entdeckt am Sonntag Nachmittag, dass ihm die Kaffeefilter ausgegangen sind. So entscheidet er sich, bei Frau Müller oben im 5. Stockwerk nachzufragen, ob sie ihm ein paar Filtertüten borgen kann. So geht er los, im ersten Stock legt er sich seine Worte zurecht „Liebe Frau Müller, mir ist ein Missgeschick passiert, leider sind meine Filtertüten alle, wären Sie so freundlich mir vielleicht mit zwei oder drei von ihren auszuhelfen”.
Im Zweiten Stock überlegt er: Sie wird schon nichts dagegen haben … na gut, manchmal hat sie ihn schon so seltsam angesehen, wenn er mit einem Korb voller Bierflaschen heimgekommen ist.
Im Dritten Stock denkt er: Sie soll sich nicht so anstellen! Es ist ja seine Sache, wieviel Bier er kauft. Da kann sie ihm schon mal ein paar Filtertüten geben.
Im Vierten grübelt er: Wo kommen wir denn hin, wenn jeder den andern kontrolliert und dann vielleicht wegen ein paar Filtertüten Schwierigkeiten macht. Und so steigert er sich in seine stillen Gedanken hinein … bis er an der Wohnungstür von Freu Müller steht. Er klingelt, sie öffnet und strahlt ihn freundlich an:
Und da explodiert er: „Da brauchen sie gar nicht so blöd zu gucken, Frau Müller! Wieviel Bier ich trinke, geht sie einen feuchten Kehricht an – und ihre Kaffeefilter können sie sich an den Hut stecken!”
Liebe Gemeinde,
oft ist es nötig, zeitig miteinander zu reden, und nicht zu schweigen, wenn einem eine Entwicklung Sorgen bereitet. Klar: Manche von Ihnen haben damit sowieso kein Problem, gehören zu dem Menschenschlag der auch dem Nachbarn unverblümt und direkt sagt, was anliegt. Natürlich auch mit dem Risiko dann es mal ordentlich raucht. – Aber andere Menschen tun sich damit viel schwerer.
Da ist sie , die Angst vor dem Konflikt.
Die Furcht davor, den Anderen zu kränken oder zu unrecht zu beschuldigen.
Das Gefühl, dass ein klares Bekenntnis zu dem, was einem wichtig ist, einen Keil zwischen mich und den anderen treiben könnte.
Diese diffuse Furcht bringt viele von uns dazu, dass wir oft genug da den Mund, halten, wo es besser wäre, mal ein klares Wort zu sprechen.
Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin bei dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden. (Apg 18, 9-10)
Ein Mutmacher-Satz!
Liebe Tauffamilie ,
Paulas Taufspruch, ist einer, der zumindest zu einem Teil einen weiten Bogen in ihr Leben als junges Mädchen bis zur Erwachsenen schlägt. Denn da ist es wichtig, diesen Mut zum offenen Wort zu entwickeln.
Und für mich ist es keine Frage, dass zugleich dieses Versprechen Gottes weiterhilft. Denn ich bin bei dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden. Eine Zusage des Segens, der Begleitung auf diesem Weg als Mensch, der klare Worte spricht. Das ist wichtig, dass Vertrauen in diesem Lebensweg in ihr wächst. wer sich seines Weges sicher ist, dem fällt es leichter auch einmal ungewohnte Stritte zu gehen.
Auch über den Glauben reden
Aber da ist noch ein letzter Punkt, bei dem manchmal gerade auch die sonst Mutigen „ich spreche alles sofort an”-Leute auffällig schweigsam werden: Nämlich wenns um den Glauben geht. Klar, unser Glaube ist etwas persönliches. Da ist jeder von uns anders, hat andere Fragen, andere Hoffnungen, andere Zweifel. Heute, am Tag der Taufe, an dem Sie als Eltern und Paten ihr „ja” gesagt haben, gilt Ihnen der Taufspruch auch persönlich.
Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht – auch dann nicht, wenns um den Glauben geht, wenn die Frage nach dem kommt, was dein Leben trägt, worauf du dich verlässt.
Wenn Kinder nach Gott fragen, dann ist es wichtig, dass sie ehrliche und tragfähige Antworten bekommen. Nichts im Konfirmandenunterricht auswendig gelerntes (auch das ist wichtig), sondern dass sie spüren, wie im Leben der Eltern und Paten Glaube – Gottvertrauen – aussieht.
Sicherlich ist im Kleinkindalter ein Abendgebet der sinnvollste Weg, zu „reden”, ohne dass man theologisch viel erklärt, vermittelt man ein Gefühl der Vertrauens und Behütet seins: Denn ich bin bei dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden . Oft sind es die kleinen Worte, die Gold wert sind.
Liebe Familie Fuchs, ich wünsche Ihnen gerade in diesem Sinn die richtigen Worte zur rechten Zeit.
Amen