Predigt zur Taufe von Jule M. und Konstantin K. am 30. November 2008
Taufspruch Jule: Ps 91,4: Der Herr breitet seine Flügel über dich; ganz nah bist du bei ihm geborgen. (Übers. „Gute Nachricht”)
Taufspruch Konstantin: 1. Joh 3,18 Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit
Liebe Familien M. und K. , liebe Paten, liebe Tauf-Gemeinde,
„Der Herr breitet seine Flügel über dich; ganz nah bist du bei ihm geborgen”, so heißt es im Psalm 91 im vierten Vers. Das ist Jules Taufspruch; mit ihrem möchte ich anfangen – Ladies first; davon profitiert sie schon im zartesten Alter.
Unter den Flügeln Gottes geborgen zu sein, das ist ein schönes Bild, es erzeugt in mir ein gutes Gefühl: Schutz, Wärme, Geborgenheit, Liebe. Das alles steckt da mit drin. Wenn ich in der Taufe meine Tochter oder meinen Sohn Gott anvertraue, erhoffe ich mir oft genau das: Die Gegenwart eines Gottes, der mein Kind behütet, genauso wie ich für meine ganze Familie diesen Schutz erhoffe.
Dabei fällt mir erst auf dem zweiten Blick auf, wie bildhaft dieser Vers ist: Er spricht von den „Flügeln Gottes” – wobei die Frage ist, wer von sich überhaupt Gott mit Flügeln vorstellt. Engel ja, aber Gott selbst?
Da merke ich, wie sehr wir Menschen eingeübt sind, mit bildhaften Reden umzugehen und meist recht zielsicher die richtige Bedeutung zu finden. So brauche ich mich gar nicht fragen, ob diese Flügel Federn besitzen – es reicht, mir vorzustellen, dass sie groß genug sind, dass wir unter ihnen Platz haben.
Liebe Familie M. , sich haben sich bei diesem Taufspruch für eine modernere Übersetzung entschieden, das ist oft sinnvoll, weil manche Worte der alten Lutherbibel uns seltsam fremd vorkommen. Und in Jules Taufspruch kommt ja so ein „alter” Begriff vor. Denn Luther hat einst geschrieben: Er wird dich mit seinen Fittichen decken.
„Die Fittiche” – ein nicht mehr sehr gebräuchliches Wort für die Flügel. Darum ist die moderne Übersetzung durchaus sinnvoll. Denn die Fittiche kennen wir nur noch von dem Sprichwort „jemanden unter seine Fittiche nehmen”. Moment mal! Ich habe entdeckt, dass dieses Sprichwort seinen Ursprung in Jules Taufspruch hat! – Und da wurde es für mich spannend. Denn vielleicht hilft mir das Sprichwort, noch eine weitere Dimension des Taufspruchs zu entdecken:
Im Sprichwörterduden wird die Bedeutung so erklärt: Jemanden unter seine Fittiche nehmen, heißt ihn annehmen, sich um ihn kümmern, ihn betreuen, ihm helfen. Klar: Ein Feuerwehrkommandant, der einen talentierten jungen Mann unter seine Fittiche nimmt, wird nicht nur nett zu ihm sein. Der wird ihn fördern, ihm helfen, seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, ihn immer wieder mal herausfordern auch an seine Grenzen zu gehen, der wird ihn zutrauen, auch knifflige Prüfungen oder Leistungsabzeichen zu erwerben, auch wenn die Vorbereitung harte Arbeit ist. Und wenn mal was schief ging, wird er ihn auch mal in den Arm nehmen, trösten und aufmuntern.
Wenn der junge Mann in guter Weise vom Chef unter die Fittiche genommen worden ist, dann wird er selbstständig werden, selber Verantwortung übernehmen können; irgendwann ein Großer werden.
Liebe Tauffamilien,
dass ihre Jule, ihr Konstantin unter Gottes Fittichen, unter Gottes Flügeln, geborgen sind und groß werden können, das verheißt uns Jules Taufspruch aus dem 91. Psalm.
Und fast nahtlos fügt sich da Konstantins Vers an. Den der spricht gleich die Großen an: „Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit” 1. Joh 3,18 Ein Aufruf zur Liebe, der – das ahnt man – auch eine Herausforderung ist.
Liebe zu üben, in der Familie, im Freundeskreis, in seiner Straße, auf der Arbeit, im Dorf … naja, vielleicht sehen wir vor unseren Augen schon die ersten Problemfälle, wo es mit der Liebe schwierig wird. Weil beileibe nicht jeder liebenswert ist.
Da sagt Johannes im Brief an seine Glaubensbrüder: „Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat” – mach nicht nur Sprüche, sondern tu auch was! Die Liebe muss beim anderen ankommen, dann wirkt sie auch.
Wer seinem Kind wortreich der eigenen Wertschätzung versichert, sollte überlegen, wann er zum letzten mal gekuschelt hat. Wer beim Kaffekränzchen über die arme alte Frau plaudert weil sie halt keinen mehr hat, der sollte schnell mal rübergehen und fragen, ob sie auch ein Stück Kuchen mag.
Wer bei den Abendnachrichten über die Berichte aus dem Kongo schimpfend den Kopf schüttelt, der sollte auch mal die Kontoauszüge rausholen, und überlegen, ob vom Weihnachtsgeld auch was für Brot für die Welt übrig ist. Schon vor 200 Jahren hat Johann Pestalozzi gesagt: „Man muss das Elend nicht mit dem Maul, sondern mit den Händen anpacken.”
„Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit ” – Mit der Wahrheit? – Na klar: Liebe, die nicht ehrlich gemeint ist, ist nichts wert – wäre geheuchelt. Aber wenn ich dem Anderen meinen Ärger ungefiltert um die Ohren klatsche, hat das mit Liebe auch nicht viel zu tun. Also wo soll die Reise hin?
Das Ziel wird sein, dass wir liebevoll und ehrlich miteinander umgehen. – Auch mit unseren Kindern. Und wenn es uns gelingt, werden sie wahrscheinlich lernen, wie wertvoll diese Mischung aus Liebe und Aufrichtigkeit ist, und letztlich auch selbst diesen Weg gehen wollen.
Es ist nicht immer einfach, die Liebe zum Nächsten und manche unangenehme Wahrheit miteinander zu verbinden. Ich glaube aber, wenn man das mit der Liebe ernst meint, lässt sich so manche Kritik auch gut vermitteln.
Im Buch der Sprüche heißt es: Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen. Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband. (Sprüche 25, 11-12)
Liebe Familie K. , liebe Familie M. , liebe Paten
ihre Kinder, wie sie und wir auch, sind von Gott geliebt, haben den Vorzug, von Gott unter seinen Flügeln geborgen zu sein; und zugleich auf unserem Weg in die Welt von ihm unter seine Fittiche genommen zu werden.
Dieses Geliebtwerden ist nicht nur Geschenk, es ist auch Aufgabe; damit wir Liebe weitergeben. Denn nur wer Liebe erhält, kann und der soll sie dann auch weiterverschenken.
Amen