der Sommer hat schon seinen besonderen Reiz, wenn am Wochenende – und das Wetter passt – der Duft von Gegrilltem durch die Straßen Gollhofens zieht. Meine Nase nimmt das innerhalb von Sekunden ganz präzise wahr: Irgendwo in der Nähe wird gegrillt!
„Hmmm, lecker”, reagiert mein Gehirn fast reflexartig: “Mensch, eigentlich könnten wir auch mal wieder grillen …. der Sommer ist doch sowieso recht kurz, man sollte die Abende wirklich nutzen”, und ich fange an zu überlegen, ob wir noch genügend Holzkohle daheim haben.
Der Duft eröffnet Welten der Erinnerung
Grillen – eigentlich könnte man seine Bratwurst auch in der Pfanne braten – aber Grillen ist eben etwas besonderes , irgendwie eine Welt für sich.Allein der Geruch des Grillens löst in meinem Kopf ganz viele Bilder aus. Ich sehe uns in Pfarrhof mit Grill und Salatbuffet … ja die Bilder reichen bis zurück in meine eigene Kindheit, als wir am Wochenende im Schrebergarten mit Nachbarn und Freunden zusammen gegrillt haben.
Der Duft des Grillens ist eines der gro ßen Geheimnisse des Brutzelns. Wen wunderts, dass man in Amerika für 4 Dollar sogar ein Duftspray mit Grillaroma kaufen kann.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bei uns Menschen tatsächlich viele Erinnerungen allein über unseren Geruchssinn hervorgerufen werden können – ganz besonders dann, wenn damit auch Gefühle verbunden sind.
Der Geruch von Fleisch über dem Feuer – über 50 mal ist in unserer Bibel davon die Rede. Von den lieblichen Geruch, der von einem Opferaltar aufsteigt, wenn über dem Feuer ein Opfertier dargebracht wird. Ein Geruch, mit dem Gott geehrt wird, und den Gott liebt.
Im Vierten Buch Mose zum Beispiel wird beschrieben, dass man das erstgeborene Tier seiner Herde aus Dank Gott gegenüber später nicht verkaufen darf, sondern als ein Dankopfer Gott darbringen soll: „Aber die Erstgeburt eines Rindes, eines Schafes oder einer Ziege sollst du nicht auslösen lassen; denn sie sind heilig. Ihr Blut sollst du an den Altar gießen und ihr Fett sollst du in Rauch aufgehen lassen als Feueropfer für den Herrn zum lieblichen Geruch.” (4. Mose 18,17)
Der liebliche Geruch, der zu Gott aufsteigt. Ein Geruch, den er grundsätzlich mag, ihn aber zugleich verabscheut, wenn dieser Duft von einem Opfer kommt, das halbherzig oder mit unehrlicher Absicht dargebracht wird. So finden wir es an vielen Stellen der Mosebücher.
Ein riechender Gott, mir das vorzustellen, fällt mir schwer … Aber vielleicht zielt das alles, was da geschrieben steht, nicht so sehr auf Gottes Nase, sondern auf die menschliche:
Dass sich den Menschen dieser Geruch des Opfers einprägt, der Duft von gerösteten Fleisch und von dampfenden Weihrauch. So, wie sich bei mir reflexartig beim Grillduft der Gedanke ans Brutzeln und Feiern einstellt, so hat damals in den Menschen Israels der Duft des Opfers die Erinnerung an die Dankgottesdienste und Feiern im Tempel Jerusalems wachgerufen. Sie sehen bei diesem Geruch innere Bilder, sehen sich selber, in den Vorhöfen des Heiligtums von Jerusalems. Singend, betend, mit den kleinen neugeborenen Baby, für das sie Gott danken wollen. Stunden der Gemeinschaft mit hundert anderen Juden, die auch von weither mit einem sorgfältig ausgewählten Opfertier kamen, um es ihrem Gott darzubringen.
Innere Bilder, die wichtig sind. Im Judentum, das seit 2000 Jahren keine Opfer mehr zelebriert, gibt es bis heute die Praxis der Duft-Büchse. Am Abend des Sabbat, des Feiertags, lässt man in der Familie eine kleine Dose mit wohlriechenden Kräutern herumgehen: Jeder schnuppert noch einmal daran, um sich an den angenehmen Duft des Sabbat zu erinnern.
Im Rauch des Opfers spiegelt sich die Güte Gottes
Liebe Gemeinde,
da wird mir deutlich, wie sparsam wir in unserer lutherischen Tradition mit solchen sinnlichen Reizen umgehen. Unsere katholischen Geschwister wissen, wie der Sonntag riecht: nach Weihrauch! Ein Jude erinnert sich an die Kräuterdose. Aber bei uns, wonach riecht der Sonntag? .. nach Schweinebraten … nach Grillen am Sonntagabend?
Das ist ja das Dilemma: Die wirklich beeindruckenden Düfte des Sonntags erinnern uns nicht an Gott oder an Kirche, sondern ans ganz gewöhnliche Essen.
Dabei ist der Weg gar nicht so weit:
Das Mahlopfer, eines der vielen Opferformen, die man in Israel darbrachte, war ein fröhliches Fest mit Essen und Trinken. Das geopferte Tier wurde zerteilt, das Blut wurde an den Altar gesprengt, ein Teil des Fleisches wurde dem Priester überlassen, und der Rest wurde in fröhlicher Runde im Tempelhof verspeist. Und über allem der Geruch des brutzelnden Fleischs an Spießen oder in Pfannen. Ein Duft, mit einer eigenen Botschaft: Hier sind Menschen zusammen, um Gott für etwas zu danken. Für ihr Leben, für ein gutes Jahr, für die Rettung aus einer schwierigen Situation … ein Duft, an den man gerne zurückdachte. Nicht, weils lecker schmeckte, sondern weil man an Gottes Güte und Liebe erinnert wurde.
Ein bisschen was hat das von Grillen gehabt, wie wir es heute kennen. Aber es hatte eben eine viel tiefere, religiöse Dimension als nur das Anbraten von Würsten.
Grillen – eine Reise in vergangene Zeiten
Liebe Gemeinde,
ich bin irgendwie hin- und hergerissen: Auf der einen Seite sehe ich, dass zwischen den Opferritualen im Alten Israel und unseren Grillparties Welten dazwischenliegen. Und ein Professor an der Uni würde mir bestätigen, dass die nichts miteinander zu tun haben. – Aber zugleich sehe ich, Analogien, Ähnlichkeiten, die mich mehr und mehr nachdenklich machen, je länger ich darüber grüble.
Immerhin katapultiert uns das Grillen in mancher Hinsicht um Jahrhunderte zurück. Da, wo wir heute mit einem schnellen Griff am Elektroherd in drei Minuten eine heiße Bratpfanne zur Verfügung haben, müht sich der Familienvater mindestens eine dreiviertel Stunde ab bis mit viel Pusten und Fächeln eine halbwegs brauchbare Glut entsteht. – Halt so wie unsere Vorfahren einst am Eingang ihrer Höhle.
Wo wir gewohnt sind, Tiefk ühlpizzas mit nach DIN-Norm standardisierten Geschmack präzise 20 Minuten bei 185 Grad zu garen, ist das Steak auf dem Grill nach dem Zufallsprinzip noch blutig, gar, trockengegrillt oder angekokelt. Aber gegessen wirds mit deutlich gr ößerem Vergnügen als die Einheitspizza.
Wo einst der Priester die Fleischstücke im Empfang nahm, um sie auf dem Opferaltar zu platzieren, während das Volk in respektvollen Abstand an einer kleinen Mauer wartete… da gibts auch heute Grillmeister, die niemals die Lufthoheit über ihren Edelstahlrost hergeben und ihre Grillgabel würdevoll wie ein Zepter halten.
Vielleicht ist es dieser unbewusste archaische Zug, diese Reise in vergangene Zeiten, die den besonderen Charme des Grillens ausmacht. Grillen ist ein bisschen wie damals, als jede Fleischmahlzeit noch ein Fest war, weil man es sich nur ganz selten leisten konnte, eines seiner Tiere zu schlachten.
Was oder wen zelebrieren wir beim Grillen?
Wenn Grillen so ein Fest ist, dann frage ich mich, was wir da eigentlich feiern. Denn wenn wir nur um des Grillens willen grillen, dann hängt es uns wahrscheinlich irgendwann vom Hals raus. So ergeht es ja manchen, der zur Zeit pro Wochenende zwei bis drei Grillfeste von allen möglichen Vereinen, Schulen oder Freunden besuchen muss. Irgendwann kann man dann kein Steak mehr sehen.
Wenn wir uns bewusst machen, wie uralt manche Traditionslinien unseres Grillens sind, warum nicht daran anknüpfen? Wir brauchen keine Opfer darbringen – aber was spricht dagegen, beim Grillen einen dankbaren Blick auf unser Essen und Leben zu werfen? Ein schlichtes Steak auf dem Grill – im Kontrast zu Analogkäse, Geschmacksverstärker und probiotischen Krimskrams. Wie gut, dass es das noch gibt! Zu sehen, dass wir auch ohne Induktionsherd und Mikrowelle satt werden. Sich zu freuen, dass Nachbarn und Freunde kommen, mit Salaten und leckeren Kleinigkeiten, die mit Liebe gemacht sind. Schätzen wir das? Dass wir miteinander feiern können und wir auch einander das Feiern gönnen. Dass wir nicht zerstritten einander anzeigen, weil der Nachbar länger als bis 22 Uhr im Garten draußensitzt.Das sind beileibe keine Selbstverst ändlichkeiten. Das ist viel wert, darum darf man dafür auch einmal danke sagen.
Lieblicher Duft oder Geruchsbelästigung?
Ist es ein lieblicherDuft, der von unserem Grill aufsteigt, oder Geruchsbelästigung. Gerichte entscheiden heutzutage recht uneinheitlich.
Nicht anders wars im Alten Testament: Ob Gott das Opfer als Wohlgeruch ansah oder verschmähte, lag nicht am Grillgut, sondern an der inneren Haltung, der Menschen, die das Opfer darbrachten.
Ob unser Grillen ein Fest ist, das Menschen und Gott gefällt, liegt an uns.
Wir entscheiden uns: Genießen wir die Gaben unserer Schöpfung oder kommen wir bloß zum exzessiven Fressen uns Saufen zusammen?
Schaffen wir beim Grillen Gemeinschaft? Wird auch mal einer eingeladen, der nicht damit rechne, aber sich umso mehr freut; oder bleiben wir immer unter uns?
Reden wir miteinander über uns und unsere Sorgen und Freuden, hören einander zu. Oder sind die Fehler und Schwächen derer, die heute abend nicht da sind und nicht widersprechen können, das spannendere Thema?
Liebe Gollhöfer,
bevor nun eine Moralpredigt draus wird, komme ich lieber zum Ende. Und lege dieses Abenteuer Grillen mit seiner langen und facettenreichen Geschichte in ihre Hände. Sie können, und sie werden was draus machen.
Nicht nur, weil ich es ihnen zutraue, sondern auch weil der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, ihre Herzen und Sinne in Jesus Christus bewahrt.
Amen
Lesungen zum Gottesdienst (mit Einleitungen):
Lesung: Evangelium (Joh 21, 1-13)
In der Bibel gibt es eine Stelle, an der Jesus grillt. Ein Treffen mit seinen Jüngern, er hat schon alles vorbereitet, noch bevor sie kamen: Ein Kohlenfeuer, darauf mehrere Fische. Diese Begegnung ist im Johannesevangelium überliefert. Nach seiner Auferstehung war Jesus den Jüngern bereits einmal erschienen. Aber wenige Tage später kam es zu einer erneuten Begegnung am See Tiberias, die im 21. Kapitel beschrieben wird: Einige Züge der Geschichte erinnern auch an den Fischzug des Petrus, aber hören se selbst:
Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. 4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber [a]die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. 12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.
Lesung: Altes Testament (Lev 17, 11-20 i.A.)
Eine Grillparty war den Israeliten unbekannt. Die Zubereitung von Fleisch über dem Feuer war im Alten Israel vor allem eine Angelegenheit des Opfers auf dem Altar. Bereits am Berg Sinai hatte das Volk die Regeln der verschiedenen Arten des Opfers von Gott erhalten. Bei manchen dieser Opfer wurde das Fleisch des Opfertieres auf dem Feuer des Altars zubereitet und anschließend gegessen. Ich lese aus dem 3. Buch Mose, dem 17 Kapitel die Vorschriften zum Dankopfer:
Und dies ist das Gesetz des Dankopfers, das man dem HERRN opfert. 12 Wollen sie es als Lobopfer darbringen, so sollen sie außer dem Schlachtopfer ungesäuerte Kuchen opfern, mit Öl vermengt, und ungesäuerte Fladen, mit Öl bestrichen, und feinstes Mehl, durchgerührt, als Kuchen mit Öl vermengt. 13 Sie sollen aber solche Opfergabe darbringen nebst Kuchen von gesäuertem Brot zu ihrem Lob- und Dankopfer, 14 und zwar sollen sie je ein Teil als Opfergabe für den HERRN darbringen; es soll dem Priester gehören, der das Blut des Dankopfers sprengt. 15 Und das Fleisch ihres Lob- und Dankopfers soll an demselben Tage gegessen werden, an dem es geopfert wird, und soll nichts übrig gelassen werden bis zum Morgen. 17 Aber was vom geopferten Fleisch am dritten Tage noch übrig ist, soll mit Feuer verbrannt werden. (…) Jeder, der rein ist, darf vom Opferfleisch essen. 20 Wer aber essen wird von dem Fleisch des Dankopfers, das dem HERRN gehört, und hat eine Unreinheit an sich, der wird ausgerottet werden aus seinem Volk.