Predigt: Auf den Standpunkt kommt es an (Römer 10,10) 8. August 2010, Taufe von Tim

Dennkompass wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Römer 10,10

Wo sind wir bloß?

„Das kann doch nicht wahr sein! An dieser Wegkreuzung sind wir doch schon vorhin vorbeigekommen!” Jürgen lässt seinen Rucksack von den Schultern gleiten und setzt sich auf  einen abgesägten Baumstumpf. „Jetzt laufen wir schon eineinhalb Stunden wie die Deppen durch diesen Naturpark und finden unseren Parkplatz nicht”. Claudia nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche und  schaut sich dabei langsam um: Hier sieht aber auch alles so gleich aus. Schau doch noch mal auf die Karte.” Mit einem Seufzer zieht Jürgen die Wanderkarte aus der Seitentasche seines Rucksacks:
„Schau, da ist der Parkplatz, da müssen wir hin. Aber wo sind wir? Da oben oder da drüben? Da ist auch nirgends irgend ein markanter Ort. Wenn wir hier oben wären, dann müsste der Weg hier nach Südosten der richtige ….”
„Ja toll, und was ist, wenn wir da drüben sind? Dann landen wir derweil in Tschechien, wenn wir nach Südosten gehen. Mannomann. Wenńs in einer Stunde dunkel wird … haben wir echt ein Problem!” Jürgen steht langsam wieder auf. „Wir gehen jetzt einfach den Weg nach Westen, irgendwohin muss er ja führen, wir können ja nicht einfach nichts tun…komm auf gehts!”

Liebe Familie, liebe Paten, liebe Gemeinde,
ob die beiden ankommen werden? Eine Landkarte ist zum Wandern ja wunderbar, aber wenn man keine Ahnung hat, wo man sich selbst gerade befindet, ist sie genauso hilfreich, wie eine Rolle  Klopapier.
Wer sich orientieren will, wer ein Ziel hat und es erreichen will, der muss wissen wo er steht, was sein Standpunkt ist. Nicht umsonst haben öffentlich aufgestellte Stadtpläne oder Landkarten oft so eine rote Markierung: „Sie befinden sich hier”.
Als Mensch brauche ich einen Standpunkt – nicht nur auf der Landkarte.
Eine Position, von der ich weiß: Das ist meine, das ist meine Heimat, das ist meine Familie, das ist mein Glaube, das ist meine Identität. Und je sicherer ich meiner eigenen Positionsbestimmung bin, umso leichter kann ich auf Entdeckungsreisen gehen und wieder heim finden.

Ein wichtiges Element meiner inneren Positionsbestimmung kann mein Glaube sein. Bei der Taufe wird das ganz deutlich: Wir haben Tim im Namen des dreieiniges Gottes getauft, er ist jetzt ein Kind Gottes. Wenn das keine feste Koordinate ist: Zu Gott gehören, mit ihm verbunden sein, das nenn ich einen Standpunkt.

Der Apostel Paulus hat im Römerbrief diesen Glauben als Vertrauen auf Gott ganz stark betont: Er schreibt im 10 Kapitel: Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Römer 10,10

Wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht. – Diesen Satz haben Sie sich als Taufspruch für Tim ausgesucht.
Ein Mensch, der von Herzen glaubt. Einer, dessen Herz sich an Gott festhält, ihm vertraut, sich auf Gott verlässt. Das meint Paulus. Ein Mensch, der sich in seinem Innersten, mit seinem Herzen, an Gott orientieren möchte.  So ein Mensch wird gerecht, sagt Paulus. Der wird von Gott anerkannt, der hat eine innere Positionsbestimmung, der kann sich orientieren, dem fällt es leichter, den richtigen Weg zu finden.

Aber Moment. Muten wir dem kleinen Kerlchen nicht ein bisschen viel zu? Wir als Erwachsene wissen ja, wie schwierig es in der Pubertät war, seine eigene Identität zu entwickeln, im Laufe der Erwachsenwerdens seine Standpunkte, seine Lebensziele und Grundüberzeugungen festzuzurren. Das ist kein Kinderspiel. Und bis heute müssen wir uns ja immer wieder neu orientieren und unsere Standpunkte  hinterfragen lassen.

Es geht nicht darum, dass aus Tim einmal eine gesinnungsmäßige Festung wird, die ewige Wahrheiten verkörpert und unhinterfragbar immer aus seiner Sicht das Richtige denkt,  entscheidet und tut. Das machen die Taliban auch.
Es geht um eine ganz zarte Grundhaltung: Ich glaube – ich vertraue auf Gott.  Und aus dieser Grundhaltung können wir Menschen immer wieder neu unsere Entscheidungen treffen, neue Wege gehen, Krisen durchstehen oder den Tag genießen.

Luther hat einmal gesagt: Dieses Leben ist kein Frommsein, sondern ein Fromm-Werden. Keine Gesundheit, sondern ein Gesund-Werden. Kein Wesen, sondern ein Werden. Keine Ruhe, sondern ein Üben. Wir sind es noch nicht; werden es aber.

Christsein als ein Weg, eine Entwicklung. Wir sind nie ganz fertig – aber wir wissen, woran wir uns orientieren wollen; die Lebenskoordinaten sind geklärt, und dann fällt einem der Lebensweg auch leichter. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.
In diesem Satz des Paulus entdecke ich eine interessante Spannung:

Da ist vom Herzen die Rede: „Wenn man von Herzen glaubt” , also von dem, was in mir geschieht, was keiner sehen kann, worüber auch kein Mensch ein Urteil fällen kann. Denn es ist eben innerlich, Glaube als eine Herzensangelegenheit.  Und gleich daneben steht „wenn man mit dem Munde bekennt” – aha! So ganz nach außen abgeschlossen ist das mit dem Glauben doch nicht.
„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.” bei diesem alten Sprichwort könnte unser Predigttext Pate gestanden sein. Natürlich: Innere Überzeugungen sind im seltensten Fall eine geheime Verschlusssache. Dass Innere drängt darauf, sich auch im Reden und Handeln zu Äußern.

Stehe dazu, dass du getauft bist, dass du glaubst, dass du Gott vertraust. Das ist der Aufruf, den ich aus den Worten des Paulus heraushöre.

Da sehe ich auch eine pädagogische Herausforderung an Eltern und Paten.  Wodurch lernt ein Kind Überzeugungen, auf welchem Weg entwickelt es einen eigenen Standpunkt? Ganz einfach: Es schaut sich seine Eltern, seine Paten, Großeltern und Freunde an:
Wie machen die das denn, welchen Standpunkt haben denn die?
Worauf legen meine Eltern Wert?
Woran halten sich meine Paten innerlich fest?
Auf wen verlassen sich Oma und Opa?

Natürlich können die Kinder, kann ihr Tim, nicht ihre innersten Überzeugungen lesen, aber er nimmt wahr, was davon nach außen dringt, was Sie sagen und wie Sie es sagen. Ob Beten nur in der Kirche angesagt ist, ober ob man ganz selbstverständlich mit seinem Kind abend vor ins-Bett-gehen ein Gebet spricht.

Ob den Eltern ein Gespräch über den Glauben unangenehm ist oder man offen über seine Hoffnungen und Zweifel zu reden wagt. Das nehmen unsere Kinder wahr und das prägt sie. Eine alte Erkenntnis lautet: „Man kann seine Kinder noch so gut erziehen, sie machen einem doch alles nach.” – Also bleibt die Aufgabe bei uns Eltern, darauf zu achten, dass wir unseren Kindern die Chance bieten, unsere Standpunkte kennen zu lernen. Dass sie spüren, wie wertvoll es fürs Leben ist, wenn man geistlich einen Ort hat, an dem man daheim ist. Damit sie nicht orientierungslos den vielfältigen Strömungen unserer Welt ausgesetzt sind.

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Tim von Herzen Gottes Hilfe bei dieser Aufgabe, seinen eigenen Standpunkt bei Gott zu finden und eigene gute Lebensziele zu erreichen.

Amen

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