Mogerla-Strategie
Das „Moggerla“ ist ein Bier mit 0,33 Litern. Das ist in Franken keine ernstzunehmende Getränke-Größe. Aber es ist besser als nichts! Und noch dazu ein echtes 100%iges Bier.
Ein Plädoyer, beim Gespräch miteinander wirklich zu 100% dabei zu sein – auch wenn meine Zeit dafür begrenzt ist und meine Möglichkeiten nicht reichen, um alle Sorgen zu hören und Probleme zu lösen.
Tipp: Man kann auch mit drei Anpiel.Szenen einsteigen (sieh unten)
Liebe Gemeinde,
kennen Sie das auch? Da gehst du einkaufen und auf dem Parkplatz triffst du jemanden, den du schon lange nicht mehr gesehen hast. Man plaudert ein bisschen miteinander … übers Wetter, die aktuellen Coronaregeln oder über die Frage, ob es in Berlin jetzt auf eine Ampel oder eine Jamaica-Koalition rausläuft.
Halt das Übliche. Nichts besonderes – so ganz normale harmlose Kontaktpflege. Und irgendwie ist man ja auch froh, dass man inzwischen wieder recht unbefangen miteinender redenund ratschen kann kann. Nach den ganzen Einschränkunen des vergangenen Jahres tut man sich immer noch ein bisschen schwer, wie üblich rauszugehen und auf jemanden zuzugehen.
Soweit so gut. Und nach ein paar Minuten denkst du: jetzt werden wir es mal wieder packen, die Einkäufe noch zum Auto schieben … und dann passierts: Dein Gegenüber schnauft mal durch, und rückt mit dem raus, was ihm momentan ungeheure Sorge macht. Wie aus dem nichts kommt der da mit einer Story, wo du denkst: „Ach du dickes Ei“
Und im Kopf fängt es an zu rattern:
Was soll man da auf die Schnelle antworten?
Das, was du gerade gehört hast, lässt dich nicht kalt.
Du weißt auch: Das ist ein echtes Problem, da gibt’s keine einfache Lösung oder gutgemeinte Worte, die schnell weiterhelfen.
Was soll ich jetzt mit dieser Information? Ist das jetzt ein Hilferuf oder was?
Ich bin überfordert.
Und währenddessen stahlt die Sonne auf meinen tiefgekühlten Spinat im Einkaufskorb.
Da ist guter Rat teuer.
Ja, wen wunderts, dass man da in sich so einen Fluchtimpuls verspürt.
Man schaut auf die Uhr: „Ach du Schreck, jetzt isses ja schon viertelelf. Und in zehn Minuten muss ich daheim sein, denn da kommt ein Handwerker / muss ich die Kinder aus der Grundschule abholen / oder… (suchen Sie sich ein passende Ausrede aus).
Und im Auto fängst du dann an mit dir selber zu diskutieren, ob das jetzt vielleicht doch recht schofel war, sich so aus der Affäre zu ziehen. Aber, ehrlich gesagt, hätte ich ja auch nicht gewusst, was man Sinnvolles hätte sagen können.
Lieb Gemeinde,
Ein Mensch, den gerade seine Sorgen bedrücken, wenn da niemand da ist, der zuhört, ist der ja wirklich verraten und verkauft.
Dabei geht ja eigentlich gar nicht darum, dass der Andere wirklich eine Lösung kennt. So viele von uns haben es schon erlebt, wie gut es tut, sich einfach mal den ganzen Mist von der Seele zu reden. Einfach mal jemanden haben, der zuhört, der meine Gedanken ernst nimmt. Der es aushält, wenn ich meine ganze Verzweiflung und vielleicht auch die ganze Wut ausspreche.
Einer, der versucht mich zu verstehen, der mich nicht gleich verurteilt und maßregelt, wenn ich in meinem Frust nur noch ultraschwarz male.
Solche Zuhörerinnen und Zuhörer werden gebraucht.
Die müssen auch nicht mit einer Lösung kommen. Denn oft gibt’s da ja keine. Aber es ist schon mal eine gewaltige Entlastung, wenn jemand meine Gedanken teilt, aufmerksam zuhört, nachfragt, mich versteht und damit auch meinen Kummer mit-trägt.
Dazu ist mir ein Rat des Apostels Paulus eingefallen: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Galater 6,2)
Lasten gemeinsam tragen. Gerade bei Lasten, die man nicht wegzaubern kann, ist es so gut, wenn wir als Christen mal eine Schulter ausleihen: Zum Mit-Tragen und zum daran ausheulen.
Liebe Gemeinde,
spätestens jetzt wird es sicher einige unter uns geben, die denken: Naja, aber mit dem Zuhören sind die Probleme nicht gelöst.
Stimmt! Das ist so.
Und darum können wir so froh über die Menschen unter uns sein, die es schaffen, wirklich anzupacken und anderen Leuten unter die Arme zu greifen. Die gibt es Gott sei Dank!
Menschen, die großzügig mit ihrer Zeit und Kraft für andere da sind. Die es vermögen, Dinge zu verändern, Leuten aus der Patsche zu helfen.
Die sind so notwendig und ein Geschenk. Und es ist nie ein Fehler, sie sich als Vorbild zu nehmen.
„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ als Paulus diese Zeilen geschrieben hat, war es in den christlichen Gemeinden nichts Ungewöhnliches, dass man seinen eigenen Besitz den anderen zur Verfügung gestellt hat, um sie zu unterstützen.
Wie gut, wenn aus heute in unseren Gemeinden davon etwas spürbar ist. Aber es gibt auch die Erfahrung von Situationen und Sorgen, bei denen es keine Lösung gibt.
Krankheiten oder Behinderungen, wo keine Heilung in Aussicht ist.
Familienkonstellationen, wo Gräben sich nicht mehr zuschütten lassen.
Menschen, die einfach nur anstrengend sind. Weil sie eine andere Sicht der Dinge habe. Eine andere politische Einstellung. Weil sie so ganz anders ticken als ich.
Da steht man da, man kommt nicht weiter und ist hilflos
Da gibt’s keinen Masterplan. So ähnlich, wie bei der Szene auf dem Supermarktparkplatz.
Aber: Es gibt die Moggerla-Strategie!
Sie kennen ja ein Moggerla: Ein 0,33-Bier.
Eigentlich nix halbes und nichts ganzes. Löscht keinen ernstzunehmenden Kerwa-Durst, aber ist auf jeden Fall besser als nichts!
Und: Egal wie klein es auch ist: Es ist ein echtes Bier.
Moggerla-Strategie heißt: Wenn wir uns mal treffen, dann nehmen wir uns mal ein bisschen Zeit, um wirklich gescheit miteinander zu reden.
So wie das Moggerla ein echtes Bier ist, bin ich auch in echt bei dem Gespräch da: Ich höre genau hin. Versuche zu verstehen, was du sagst und was dir wichtig ist.
Ich nehme dich ernst. „Papperlapapp“ und „hör mir mit deinem Quatsch auf“ wirst du beim Moggerla nicht hören.
Die Zeit gehört uns beiden – nicht meinem oder deinem Handy.
Ich bin 100% bei dir – auch wenn ich vielleicht ganz anderer Meinung bin als du.
Ja … aber das Moggerla ist halt nur 0,33 Liter! Da kann nicht immer das Riesen-Fass aufmachen.
Irgendwann darf ich auch sagen: Meine Zeit und meine Aufnahmebereitschaft hat ihre Grenzen. Und ich werde in diesem begrenzten Rahmen es wahrscheinlich nicht schaffen
alle Streitpunkte, alle Probleme oder alle deine Sorgen zu beseitigen.
Aber wir sind ein Stück des Wegs miteinander gegangen.
Und es war besser als nichts. Es war viel besser als nichts.
Weil wir – bei allem was uns trennt – doch zu einer Gemeinschaft, zu einer Gemeinde gehören.
Weil – obwohl du mir bei meinem Problem eigentlich nicht weiterhelfen konntest – es mir so gut getan hat, dass du mal genau zugehört hast.
Liebe Gemeinde,
wenn wir jetzt Kirchweih feiern (und uns eher im kleinerem Rahmen begegnen) gibts ja vielleicht so einen Moggerla-Moment. Wo Sie entscheiden können: Schaue ich, dass ich Land gewinne oder unverfänglich das Thema wechsle – oder nehme ich mir ein Moggerla lang Zeit für uns beide. Für ein Gespräch zwischen Menschen, die auch mal bereit sind, die Last des anderen mitzutragen.
Amen
Variante: Anspiele zum Einstieg
Szenen
Spielszenen können ein Themeneinstieg sein, um zu zeigen, wie das mit dem Zuhören und sich Zeit nehmen gewaltig schief gehen kann:
Person A hat ein echtes Problem und trifft nacheinander mehrere Leute B, C und D. Ganz normale Begegnungen, aber die Partner verhalten sich ganz ganz unterschiedllich. Das Problem habe ich hier nicht dargestellt – hiert können die Spieler sich im Vorfeld je etwas aus ihrem Erfahrunsgbereich ausdenken.,
Szene 1 mit B ( Der Problem-Flüchtling: Wenn er merkt, dass es schwierig wird, ergreift er die Flucht)
A Hi … Na wie geht’s?
B Alles bestens – und selber?
A Naja, geht so
B „geht so“ klingt aber nicht so berauschend!
A Ach weiß du …. (Er erzählt von seinem,/ihrem Problem….) [B hört es sich bis zum Ende an] …ja, ein schöner Mist gell?
B Ja, tatsächlich, echt fies! [Schimpft, solidarisiert sich mit A]
A Genau! Aber sag mir mal, du bist doch mein Freund, was soll ich da jetzt machen?
B Tja ….. da fällt mir was ein!
A Ja???!?!!
B Ich hab ja in 10 Minuten meinen Friseurtermin! Den hätt ich jetzt fast verpasst. Echt sorry, ich muss jetzt weiter. Wir reden demnächst mal wieder….
Szene 2 mit C (der Schwurbler: Auch wenn man selber keinen Plan hat, will er den der entsapnnte Typ mit der vollen Ahnung sein)
C: Hallo , wie geht’s?
A Beschissen!
C Au weiha, was ist passiert?
A: Ich hab eine Problem mit (…..)
C: Ja, da stecken immer diese Banken(oder wahlweise einen anderen sinnfreien Sündenbock auswählen) dahinter! Die sind so hundsgemein! Weißt du, denen bist du nämlich sowas von egal. Die machen ihr Ding und denken nur an das eine; nur an sich selber. Da muss man einfach locker bleiben. Du musst das System durch Ignorieren auskontern!
A: Hä? Ich kann da nicht locker bleiben. Mich macht das total fertig! Ich kann manchmal nachts schon gar nicht mehr gescheit schlafen.
C: Ich sag dir: Entspannung, ein Bier trinken oder zwei…. Einfach das System mit den eigenen Mitteln schlagen.
A Was soll das jetzt heißen?
C Weiß ich auch nicht so genau … Aber egal! Alles wird gut …
A Hey, was soll da jetzt gut werden?
C Komm, mach dir nicht ins Hemd. Lass dir von einem weisen Mann mit Lebenserfahrung sagen: Des wird schon. Servus, ich pack´s dann mal. Bis demnächst …
Szene 3 (der Smartphone-Zombie: Ist da und ist gleichzeitig gaaanz weit weg)
D Hi,
A (gefrustet) Ach ….
D Was heißt hier „Ach“?
A Das ist jetzt eine längere Geschichte ….
D Komm, lass hören!
A Also alles hat damit angefangen… (hier kommt unser Problem)
D hört sich das nicht wirklich an. Er/Sie daddelt laufend am Handy. Zwischendurch fragt A: „das findest du doch auch?“ darauf D überrascht „Was? Äh jajaja..) A erzählt weiter, er merkt aber zunehmend, dass D absolut nicht zuhört.
A HALLO: Bist nur noch auf Empfang?
D (verwirrt) Ja, ich hab sogar LTE mit vier Balken.
A Ich meine: Du hörst mir schon noch zu … oder ist dein Handy wichtiger?
D Na klar, hab alles verstanden, was du gesagt hast
A Achja, und was ist deine Meinung zu dem ganzen Spiel?
D Hä Spiel? Achja, ich bin der gleichen Meinung wie du: Wenn das so weitergeht, sind die Fürther schneller im Tabellenkeller als als ihnen lieb ist.
A Oh man, du bist mir ein Super-Zuhörer … du Vollhonk. Da kriegt ja die Kerwafichtn mehr mit als du! – lass mich doch in Ruh.
D Mist, jetzt hab ich des in die falsche Whatsapp-Gruppe geschickt…