Kirchweihpredigt zu unserer Schleifchenaktion: Unsere Kirche ist ein Geschenk, darum machen wir ein Schleifchen drum. Mehr über die Schleifchenaktion finden Sie am Ende der Seite.
Da steht sie also nun, unsere Hugenottenkirche, mit ihrem Schleifchen drum herum. Das Geschenk – das unserer Gemeinde einst von Isaak Daniel Buirette vermacht wurde. Und heute feiern wir dieses Geschenk – und begehen die Kirchweih – und werden dieses Geschenk dann ja auch auspacken … und dann? Was fangen wir damit an?
Geschenkstrategien Nummer 1 – „gut, dass sie da ist”
Wir gehen mit Geschenken ja ganz unterschiedlich um: Ich nenne mal drei Hauptstrategien.
Die Erste: Bei mir hängt daheim zum Beispiel so ein Zinnteller. Der wurde mir geschenkt. Ich habe mich gefreut, mich ehrlich bedankt – aber er hängt halt an der Wand in seiner Schönheit. Mit ihm kann ich nicht allzuviel anfangen, ihn ansehen halt. Es ist gut, dass er da ist, ich erkenne an, dass er ein wertvolles Geschenk ist. Aber sonst …?
Sie merken: Das geht mit dem Geschenk unserer Kirche auch:
Schön, dass es sie gibt, sie steht da vorne in der Ortsmitte herum, sieht gut aus, ich könnte hingehen, wenn ich wollte, es ist auch klasse, dass sich da ein Pfarrer reinhängt und was anbietet. Aber deshalb muss ich ja nicht unbedingt hin. Es ist gut, dass sie da ist, auch für andere, drum zahle ich auch gerne meine Kirchensteuer – das ist es mir wert – aber sonst …?
Ja, eine Zinnteller-Kirche – sowas gibts für viele Menschen.
Geschenkstrategien Nummer 2 – „etwas für die Highlights”
Eine andere Strategie: Die Taschenlampe.
Die habe ich auch geschenkt bekommen. Es ist schon lange her. Und als ich sie an Weihnachten bekommen habe, hat́s mich mächtig gefreut. Aber ich trage die natürlich nicht jeden Tag mit mir rum. Wenn ich sie mal brauche, beim Zelten oder einer Nachtwanderung mit den Kindern; dann ist sie auf jeden Fall dabei! Meine Taschenlampe. Ich hab sie auch schon mal renoviert. Innen: Von der alten Glühbirne bin ich auf LED-Technik umgestiegen. Der Unbau hat mich mehr gekostet als eine neue – aber das war mir egal: Ich hänge an meiner alten Maglite, und drum habe ich das investiert.
Liebe Wilhelmsdorfer. Vielleicht ist das ja auch Ihre Geschenkstrategie für unsere Kirche: Das alte Gemäuer wertschätzen; nicht jeden Sonntag, aber immer wieder mal besuchen, gerade wenns was Besonderes gibt. Und sich dann von Herzen dran freuen an unserem guten Stück aus dem Jahre 1754. Und wenn dann was dran gemacht werden muss, dann bin ich mit dabei – dann kann ich auch mal mithelfen oder den einen oder anderen Schein springen lassen. Sie merken, das ist eine ganz beliebte Strategie.
Geschenkstrategien Nummer 3 – „sie ist ein Teil von mir geworden”
Als letztes hätte ich da noch meinen Geldbeutel. Auch ein Geschenk. Ein ziemlich praktisch orientiertes Geschenk. Täglich habe ich den in Gebrauch. Er ist ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Er ist jetzt nichts überaus besonderes, schön ist er, aber es ist nicht zu übersehen, dass er intensiv genutzt wird. Ohne den gehe ich fast nie aus den Haus. Und wenn ich ihn mal doch daheim liegen gelassen habe, dann fühle ich mich irgendwie nackt, also nicht komplett. Denn der gehört irgendwie ganz fest zu mir.
Einige von ihnen nicken jetzt: Ja, so gehts mir auch mit unserer Kirche, mit unserem Gottesdienst. Ohne Kirch́ ist der Sonntag kein Sonntag – die Kirche, der Glauben, ist ein Teil von mir. Ich gehöre da fest dazu.
Das ist auch eine von drei Möglichkeiten, mit diesem Geschenk umzugehen.
Sie sehen: So unterschiedlich wir Menschen sind, so unterschiedlich gehen wir auch mit unserem Geschenk „Kirche” um. Aber Moment mal: Das liegt ja nicht nur an uns Menschen. Es hat ja auch ganz viel mit der Art des Geschenks zu tun! Also ich käme nie auf die Idee, einen Zinnteller wie eine Reliquie täglich mit mir herumzutragen und ihn als einen festen Bestandteil meines Lebens zu sehen.
Darum will ich als zweiten Schritt heute Morgen drauf schauen, worin besteht denn das Geschenk unserer Kirche denn nun mal genau betrachtet?
Was so alles drinsteckt: Freiheit
Und: Da habe ich auch drei Punkte:
Erstens, ganz historisch: Unsere Hugenottenkirche ist für mich ein Symbol von Freiheit! Als die Ortsgründer aus Südfrankreich kamen , konnten sie hier endlich in Freiheit Gottesdienst feiern. In ihrer Heimat war allein das Psalmensingen lebensgefährlich. Man quartierte bei den Protestanten bewusst gewalttätige Soldaten ein, und diese zu terrorisieren. Auf das Abhalten von Gottediensten stand zum Teil die Todesstrafe, oder man wurde als Rudersklave auf eine Galeere verfrachtet, was auf das Gleiche hinauslief.
Aber hier im Albachtal konnte man einfach so Gottesdienste feiern, ganz ohne Angst und Zittern. Freiheit ist ein Geschenk! Auch Freiheit des Glaubens und des Gewissens. Auch in der Kirche sollten wir uns Freiheit bewahren. Der Auszug aus Ägypten in die Freiheit war für das Volk Israel ein grundlegendes Erlebnis.
Wenn ich sehe, wie sich in Moskau die orthodoxe Kirche für die Inhaftierung der Punk-Mädchen von „Pussy Riot” votierte, verstehe ich das nicht! Natürlich war ihre Protest-Aktion von der Art und Weise her, unmöglich und für eine Kirche absolut daneben. Aber da stellt sich in Moskau die Kirche auf die Seite derer, die anderen zunehmend die Freiheit der eigenen Meinung – das Recht zur Kritik an Politik und Kirche streitig machen. Kann man so schnell vergessen, dass man als russisch-orthodoxe Kirche selbst über Jahrzehnte unter der Verfolgung durch Stalin und durch das mächtige Sowjet-System gelitten hat? Dass ihr die Freiheit, eine andere Ansicht zu haben als die kommunistische Partei, die Freiheit Kirchen zu Bauen und Klöster zu betreiben auch erst vor ein paar Jahren wiedergeschenkt worden ist?
Liebe Gemeinde,
unsere Kirche in Wilhelmsdorf steht für Freiheit. Auch für die Freiheit, eine andere Meinung zu haben als die Mehrheit der Menschen. Für die Freiheit sich an den Werten des eigenen Glaubens zu orientieren statt an dem, was gerade „in” ist.
Was so alles drinsteckt: Gemeinschaft
Ein anderer Inhalt unseres Kirchengeschenks ist die Gemeinschaft, die wir hier erleben. Wo Menschen regelmäßig zusammenkommen , so sie sich engagieren, wo sie sich selbst persönlich weiterentwickeln können. Wo sie ihre Gaben und Talente einbringen können. Bläser, Chor, Konfigruppen, Kirchenvorstand: Wir sind miteinander als Christen auf dem Weg.
Auch als Menschen, die nicht perfekt sind. Die sich auch einmal gegenseitig verletzen oder kränken. Aber gerade wir in der Kirche wissen, wie wichtig es ist, dass wir einander vergeben können und um Verzeihung bitten können.
Als Sünder wissen wir um unsere Fehler und Schwächen – und wir wissen, dass wir bei Gott damit gut aufgehoben sind.
Was so alles drinsteckt: Etwas, was sich kaum erklären lässt
Ja, zu guter Letzt … ja wie sage ich das, was da noch drinsteckt … hmmm … das lässt sich ganz schwer erklären. Das hat viel mit sehr persönlichem Erleben zu tun – was da passiert, wenn man das Kirchengeschenk auspackt.
Ich probiers trotzdem mal an einem Beispiel:
Stell dir vor, du packst dein Kirchengeschenk aus und gehst am Mittwoch Nachmittag in die Kirche. Sie ist ja tagsüber offen. Machst die Türe hinter dir zu, der Krawall der Bergstraße bleibt draußen. Und du setzt dich da einfach mal rein. Spürst die Stille. Die Augen können sich ausruhen, es gibt ja nicht so viel zu sehen. Und nach vier, fünf Minuten spürst du: Dieser Raum strahlt etwas besonderes aus. Du atmest hier mehr als nur Luft – das ist irgendwie eine andere Atmosphäre. Und du bleibst ein bisschen länger sitzen … bis ja, bis du dich satt-gesehen hast, aufgetankt – und du verlässt diese Kirche irgendwie als ein Anderer als du vor 10 Minuten reingegangen bist. „Irgendwie” es ist eben nur ganz schwer zu erklären, was da passiert. Man muss er erleben.
Liebe Wilhelmsdorfer,
ja, Kirche – unsere Kirche – ist ein Gottesgeschenk!
Da steckt viel drin, da könnte man lange erzählen, und würde doch nicht alles aufzählen können.
Wichtig ist, dass wir dieses Geschenk auch auspacken, es gebrauchen.
Sie selber müssen entscheiden:
Wie einen Zinnteller, nur zu ansehen?
Oder doch als liebgewonnene gehegte Anlaufstelle für immer wieder mal?
Oder als alltäglichen Begleiter ihres Lebens, weil sie sich als Christ ohne dieses Haus irgendwie nicht komplett fühlen?
Wie das bei Geschenken so ist: Entscheiden müssen das die Beschenkten selber.
Amen
Zur Geschenkschleifchen-Aktion:
Zum Beginn der Kirchweihfeierlichkeiten haben wir schon am Donnerstag zusammen mit den Ortsbuschen eine 50 Meter Lange und 30cm breite Kunststoff -Schleife um die Kirche herumgebunden. Nach dem Gottesdienst hat sich die Gemeinde zu einem Loblied um die Kirche herumgestellt und anschließend wurde die Schleife entfernt (die Kirche ausgepackt) und die kleingeschnittenen Schleifchenteile verteilt.
Die Schleife trug folgende Aufschrift:
Unsere Kirche hat Geburtstag. Geschenkt anno 1754 durch David Jakob Buirette an seine Wilhelmsdorfer. Unsere Hugenottenkirche als ein Gottesgeschenk: Wenn man frei seinen Glauben leben, Lieder singen und Gottes Wort hören kann. Luther sagt: Die Kirche ist eine Wohnung, wo man Gott liebt und hört. Wo man Gott liebt, ist Kirche. So mag auch ein Schweinestall zur Kirche taugen, wenn die Menschen dort nur die richtigen Dinge tun.
So wünschen wir unserer Kirche zum 285. Geburtstag, dass sie viele Menschen beherbergen darf, die dort singen, beten, Hoffnung schöpfen und das Heilige Abendmahl empfangen. Und unseren Geburtstags (=Kirchweih-) Gästen ein fröhliches und friedliches Fest.