Predigt: Interview mit Johannes dem Täufer (Joh 1, 29-34) 13. Januar 2013

Johannes 1, 29-34

In Predigttext geht es um die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer. Wie wäre es, wenn wir heute mit Johannes dem Täufer ein Interview führen könnten?

Predigttext:

Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! 30 Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser.
32 Und Johannes bezeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. (Johannes 1, 29-34)

 

Liebe Gemeinde,
eben, im Evangelium haben wir von der Taufe Jesu im Jordan gehört, wie es Matthäus überliefert. Und unser Predigttext aus dem Johannesevangelium blickt noch einmal auf dieses Ereignis. Allerdings ganz anders! Denn die Taufe Jesu wird hier eigentlich gar nicht beschrieben. Sondern wir hören die Worte des Täufers Johannes, mit denen er beschreibt, wer Jesus für ihn ist:
Das Lamm Gottes, der unsere Sünde trägt.
Der, der nach Johannes kommt, aber zugleich schon vor ihm da war.
Und als derjenige, von dem Gott ihm gezeigt hat, dass jener der Sohn Gottes ist.

Diese Zeilen beschreiben nicht die eigentliche Taufe, sondern es kommt mir vor, als wären diese Zeilen Teil eines Gesprächs, einer Rede, die Johannes später im Rückblick auf diese Taufe geführt hat. Ich stelle mir vor, ich hätte die Gelegenheit gehabt, diesem Johannes zu begegnen und ihn so manche Frage zu stellen, zu diesem Moment der Taufe, der da in unserem Predigttext beschrieben ist.
Natürlich ist das nicht möglich – aber dennoch wissen wir aus unserer Bibel so einiges über ihn, so dass ich mir vorstellen kann, was Johannes da so alles zu sagen hätte …
Vielleicht würde ich mit ihm irgendwo auf der Hochebene westlich des Jordans entlanglaufen. Da, wo der Boden trocken und staubig ist, und man einen weiten Blick über das Land hat, und wo man auch hinabsehen kann, in das Jordantal – in dem Jesus getauft wurde. Dabei würde mit Johannes dem Täufer ins Gespräch  kommen.

Du willst wissen, wie ich so sicher sein konnte, dass derjenige, der da vor mir  stand, wirklich der Gottessohn war, auf den alle gewartet haben? Diese Frage habe ich mir auch immer wieder gestellt. Denn ich habe ja viele Jahre gewartet und von ihm gepredigt. Angekündigt, dass bald der Erlöser kommen wird, den Gott schickt. Ich kenne ja alle Worte der Heiligen Schrift über den Messias. So wusste ich, dass dieser Große seine gewaltige Macht nicht offen vor sich hertragen würde.

Und doch habe ich mir erhofft, oder besser gesagt gewünscht, dass es für mich und alle Anderen offen spürbar würde, dass ER da sein würde. Engelserscheinungen, ein Licht aus der Höhe, eine zitternde Erde. Aber dann war es doch ganz unspektakulär: Dieser Geist in Form einer Taube, diese Stimme Gottes, von der man ja auch nicht so einfach sagen, kann, woher sie kam. Es hätte auch alles zufällig so zusammenkommen können, eine vorbeiflatternde Taube, die Stimme eines umstehenden Mannes.

Johannes, bleibt stehen, und blickt über den Horizont.
Weißt du, ich bin mir sicher, dass Gott uns Menschen ein inneres, ein drittes Ohr geschenkt hat, mit dem wir die kleinen Fingerzeige Gottes wahrnehmen können. Manchmal hörst du lange keinen einzigen Ton, und dann kommt ein Moment, wo du merkst, dass Gott dir etwas zu sagen hat. Und wenn dann nicht gerade dein Kopf und deine Ohren voll sind mit anderen Klängen und Gedanken, dann kannst du Gott hören und spüren. Darum bin ich auch so oft hier in der Einsamkeit der Wüste, denn diese Stille schärft die Sinne, auch die deines inneren Ohrs.

Johannes schaut mich an: Und du? Wie ist das bei dir? Hörst du auf diese Stimme? Wann hast du sie zum letzten Mal gehört? Johannes merkt, wie ich tief Luft hole, und nach Worten suche, die gerade nicht so schnell sprudeln, wie sonst. Denn mir fallen nur wenige wirklich bedeutsame Momente ein, die sehr persönlich sind, und noch dazu wenig spektakulär, Kleinigkeiten eben.

So als hätte er meine Gedanken erahnt, spricht er weiter. Suche nicht nach den großen Offenbarungen. Schau, wie es bei mir am Jordan war! Eine Taube, eine fast zu überhörende Stimme und ein Moment der tiefen inneren Gewissheit, das derjenige, der vor mir steht, der Messias ist. Es waren kleine Fingerzeige Gottes, die auf etwas Großes verwiesen haben. Auf das Große – auf das unglaublichste Geschenk, dass Gott uns Menschen machen konnte: Selbst Mensch zu werden, unsere Sünde zu tragen, und den Tod zu besiegen. Unterschätze also nicht diese kleinen leisen Fingerzeige Gottes , die sind es, die oft einmal etwas Großes verändern.

Ich habe noch eine Frage auf meinem Zettel. Ich habe lange überlegt, wie ich sie formuliere, ohne Johannes zu verärgern. Denn ich weiß davon, dass er auch sehr deutlich und unfreundlich werden kann, wenn er der Überzeugung ist, dass Menschen sich falsch verhalten. Aber die Frage muss einfach sein:

Johannes, du bist ein großer Prediger und Prophet, du hast Tausende von Menschen getauft, dir folgt eine beachtliche Schar von Jüngern, die für dich durchs Feuer gehen würden. In der Politik würde man sagen: Du hast eine glänzende Karriere vor dir. Aber jetzt ist mit dem Messias alles anders, oder? Du wirst ja nun eigentlich nicht mehr gebraucht.

Verständnislos blickt er mich an? Wer behauptet, dass ich nicht mehr gebraucht werde? Ich versuche zu erklären: Naja, viele Bibelausleger meines Jahrhunderts meinen, dass mit dem Kommen Jesu deine Zeit als Vorläufer des Heilands zu Ende ist.

So ein Unsinn. Johannes schüttelt den Kopf, aber sein Gesichtsausdruck spiegelt nicht Ärger wieder, vielmehr lächelt er. Natürlich brauche ihn nun nicht mehr ankündigen, wie ich es über Jahre hinweg getan habe. Aber jetzt werde ich auch gebraucht. Als Zeuge! Als einer, der seine Freude und Anhänger immer wieder auf diesen Jesus hinweist. Diese Aufgabe wird mir bleiben, so lange ich lebe. Und diese Aufgabe hat Gott auch dir gegeben, jedem Christen hat er sie gegeben: Seine Mitmenschen auf Jesus hinzuweisen, der das Leben neu machen kann und der diese Welt einmal völlig verändern wird. Wenn wir diese Aufgabe nicht ernst nehmen, werden viele Menschen nichts von Jesus erfahren, und da wäre es um jeden schade, der diese Gelegenheit verpasst.

Wir gehen einige Minuten wortlos nebeneinander her. Irgendetwas scheint ihn zu beschäftigen. Dann beginnt Johannes wieder zu reden. Du hast gesagt „dass ich nicht mehr gebraucht werde”. Es ist natürlich komisch, wenn du Jahrzehnte lang mit aller Kraft für etwas gearbeitet hast. Tag und Nacht, ohne Rücksicht auf deine eigenen Kräfte und deine Gesundheit. Wenn daraus auch noch etwas geworden ist. Ja, Gott hat mir die Kraft gegeben, als Prophet viel zu bewirken, in Scharen haben sie sich von mir taufen lassen. Als Zeichen ihrer Umkehr zu Gott. Im ganzen Land haben sie davon gesprochen.
Aber bald wird sich kaum einer an diesen Johannes erinnern. Das ist ein seltsames Gefühl: Zu spüren, dass alles seine Zeit hat, und auch sein Ende. Auch mein Wirken.
Ich habe das immer gewusst, sogar davon erz ählt: „Er, Jesus,  muss immer wichtiger werden, ich aber muss an Bedeutung verlieren” (Joh 3,30). Aber es ist ein Unterschied: Zu wissen, dass es so sein wird, und es selbst zu erfahren, dass sich die eigene Situation so schnell verändert.

Darum, junger Freund vergiss nie: Was wir Menschen für Gott tun können, haben wir nicht uns selber zu verdanken, und wir tun es nicht, um uns selbst zu loben. Aber wenn du auf dein Werk blickst und dabei von einer großen Zufriedenheit erfüllt wirst, dass sieh das als ein kleines Geschenk Gottes für dich an.

Mit diesen Worten nickt Johannes mir freundlich zu, verabschiedet sich mit knappen Worten, und geht mit zügigen Schritten in Richtung Osten, zum Jordan hin davon – so als wäre ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen, was heute unbedingt noch zu erledigen wäre. Ich schaue ihm hinterher und merke: Wer von Jesus angerührt ist und von ihm erzählen will, der ist nie im Ruhestand.

Amen

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