„Morgenglanz der Ewigkeit“ – Ein Morgenlied von Christian Knorr von Rosenroth, das vor unseren Augen mehr aufgehen lässt, als nur die Sonne über dem Aurachtal.
Liedverse 1-3:
1. Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffnen Lichte,
schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte
und vertreib durch deine Macht unsre Nacht.
2. Deiner Güte Morgentau fall auf unser matt Gewissen;
lass die dürre Lebens-Au lauter süßen Trost genießen
und erquick uns, deine Schar, immerdar.
3. Gib, dass deiner Liebe Glut unsre kalten Werke töte,
und erweck uns Herz und Mut bei entstandner Morgenröte,
dass wir, eh wir gar vergehn, recht aufstehn.
Liebe Gemeinde,
Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffnen Lichte, schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte und vertreib durch deine Macht unsre Nacht.
„Guten Morgen” sagt uns das Lied und lässt den Tagesbeginn kräftig strahlen und glänzen. Aber was glänzt da eigentlich?
Die Sonne sicherlich.
Oder höre ich da ein bisschen das Sprichwort „Morgenstund hat Gold im Mund heraus”? – Das ist ja ein Spruch, der uns den Morgen attraktiv erscheinen lassen will. Schließlich erwartet uns als Frühaufsteher ein gefüllter Tag, an dem man viel schaffen kann und etwas erreicht … eben „Gold im Mund”. Aber ehrlich gesagt: Bei dem Lied passt das irgendwie nicht. Das ist kein „fleißiges” Morgenlied, da geht es nicht um die tägliche Arbeit und den ersehnten Erfolg.
Ich habe eher den Eindruck, dass in diesen drei Versen ganz allmählich die Sonne aufgeht und das Licht die Dunkelheit und die Nacht vertreibt. Langsam wird es hell, gedanklich bin ich dabei vielleicht unten im Aurachtal, bei Gunzendorf – ich sehe den Nebel in der Senke, und von Osten, von Oberniederndorf her geht die Sonne auf, das Tal wird heller und farbiger … rotgolden erscheinen die Baumspitzen … ganz langsam wird es heller. Und kein Wecker schellt, kein Telefon bimmelt, keine Email ploppt am Bildschirm auf. Es wird hell, und es ist einfach schön. Die Nacht wird vertrieben, der Tag kommt – ein unbezahlbarer Moment. Wahrscheinlich geht es wirklich um etwas Unbezahlbares. Eben nicht um „Morgenstund hat Gold im Mund”!
Um das Erleben, dass es hell wird um mich herum, und das dieses Licht auch mich selber durchflutet. Wenn man so einen Sonnenaufgang aus dem Dunst erlebt, sich die Zeit nimmt, das auf sich wirken zu lassen, dann lässt das einen nicht kalt: Das Strahlen überträgt sich auf einen selber.
Ich möchte Ihnen aus einem etwas unbekannteren Buch unserer Bibel etwas vorlesen. Es steht im Buch des Weisheit Salomo:
Sie ist schneller als alles und so rein und fein, dass sie durch alles hindurchgehen kann. Denn sie ist ein Hauch, der von dem allmächtigen Gott ausgeht, ein reiner Ausfluss seiner Herrlichkeit; deshalb kann nichts Unreines in sie eindringen. Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes, der ungetrübte Spiegel von Gottes Macht, das Abbild seiner Vollkommenheit. (Weisheit Salomo 7, 24-26)
Das erinnert mich an so eine Sonnenaufgangsszene: Da strömt etwas von Gott aus durch unsere Welt; wenn wir uns dem aussetzen, dann wirkt das auf uns ein, dann wird es heller in uns, dann lässt sich das, was von Gott kommt; in uns nieder.
Was da strömt, lässt sich schwer in Worte fassen. Die „Weisheit Gottes” steht in meiner Bibelübersetzung, aber es ist damit etwas anderes gemeint, als wir in Deutschland mit „Weisheit” verbinden. Diese Weisheit kann man nicht mit Klugheit oder Intelligenz gleichsetzen, es geht um eine viel umfassendere Kraft Gottes, die uns Menschen erfüllen kann. Vielleicht ist es nicht verkehrt, wenn wir hier einfach vom Licht Gottes sprechen.
Liebe Gemeinde,
das Lied ist auch eine Werbung für den Sonntag, als den Tag, an dem man dieses Licht Gottes besonders erleben kann.
Stehe auf, sagt das Lied, setze dich den Sonnenstrahlen Gottes aus.
Verbarrikadiere dich nicht hinter der Arbeit, hinter tausend Dingen, die wichtig erscheinen. Lass gerne 6 mal in der Woche die Morgenstund Gold im Mund haben – aber mache an diesem einen Tag etwas Anderes: Setze dich den Strahlen der Liebe und Weisheit Gottes aus.
Erlebe das gemeinsame Singen, Beten, Reden und Hören im Gottesdienst.
Sei mit Deiner Familie zusammen, die Gott Dir als Geschenk und Aufgabe an die Seite gestellt hat.
Gehe hinaus, und erlebe die Weite des Himmels, der sich endlos über dir erstreckt und etwas von der Größe Gottes ahnen lässt.
Lass dich von dieser Kraft Gottes durchströmen.
Mit dieser Energie ausgestattet macht der dritte Liedvers auch einen Sinn: Gib, daß deiner Liebe Glut unsre kalten Werke töte, und erweck uns Herz und Mut bei entstandner Morgenröte, daß wir, eh wir gar vergehn, recht aufstehn.
Aufstehen sollen wir, und etwas schaffen – und zwar das Richtige. Keine kaltherzigen Taten, sondern Werke der Liebe. Wer von Gottes Kraft durchströmt ist, der kann auch anders handeln, kann Energie zum Guten aufbringen. Der weiß, dass er Fehler macht und schuldig an Anderen wird; aber er weiß auch: Wer hinfällt, der kann auch wieder aufstehen und neu anfangen: „dass wir, eh wir gar vergehn, recht aufstehn !”
Christian Knorr von Rosenroth hat dieses Lied verfasst. Dabei war er gar kein klassischer Liederdichter. Er war Politiker! Hoch gebildet, Hof- und Kanzleirat bei dem Herzog von Sulzbach-Rosenberg. Er hatte große Verantwortung. An seinen Entscheidungen hing das Wohl und Wehe vieler Menschen. Über die Zukunft und Weiterentwicklung des Bergbaus musste er entscheiden. Zur gleichen Zeit suchten Evangelische in der Oberpfalz Asyl, da sie aus Tirol wegen ihres Glaubens vertrieben wurden. Als Christ an solcher Position zu stehen; auch mit der Aufgabe, gegebenenfalls unangenehme Entscheidungen zu treffen – das ist nicht leicht.
Das ist in der Gegenwart nicht anders. Der Wahltag heute lässt es für uns als Wahlberechtigte auch deutlich werden . Viele Menschen sind hin- und hergerissen, weil sie sehen, dass jede Partei ihre Licht- und Schattenseiten hat. „Die” richtige Partei scheint es nicht zu geben. Und doch können wir das Kreuzchen nur bei einem Kandidaten machen.
Verantwortung wahr zu nehmen, als Wähler, als Politiker, als Eltern, als Unternehmer, oft genug muss man da mit Kompromissen leben, die einen selber nicht voll überzeugen, zu denen man sich aber dennoch durchringen muss.
Mut haben zu Entscheidungen.
Darauf vertrauen, dass Gott einem die rechte Weisheit gibt.
Sich freuen, wenn man entdeckt, dass man gut entschieden hat;
oder im anderen Fall seinen Fehler zur Kenntnis nehmen, und wieder aufstehen, um nun das Richtige zu tun.
Darum geht es in diesem dritten Vers. Aber nun wollen wir de letzten beiden singen:
Verse 4+5
4. Ach du Aufgang aus der Höh, gib, dass auch am Jüngsten Tage
unser Leib verklärt ersteh und, entfernt von aller Plage,
sich auf jener Freudenbahn freuen kann.
5. Leucht uns selbst in jener Welt, du verklärte Gnadensonne;
führ uns durch das Tränenfeld in das Land der süßen Wonne,
da die Lust, die uns erhöht, nie vergeht.
Liebe Gemeinde,
auch mit den letzten beiden Versen bleibt das Lied ein Morgenlied: Wieder ist vom Aufstehen die Rede, und davon, dass man seinen Weg geht. Nur dass sich die Szene ein wenig verschiebt. Nicht mehr vom Aufstehen aus dem Schlaf ist die Rede, sondern vom Aufstehen, aus dem Tod.
Einiges verändert sich: Auf der Freudenbahn gehen wir dann unseren Weg, im Land der süßen Wonne. Im Rückblick merkt man den Unterschied zur Plage und den Tränen, die einem das Leben zuvor beschwerlich gemacht haben. –
Aber doch habe ich den Eindruck, dass Christian Knorr von Rosenroth Himmel und Erde, nicht so stark gegeneinendersetzt, wie es manche seiner Zeitgenossen getan haben. Oft genug erleben wir in alten Lieder den Kontrast: Hier auf der Erde ist nur Trübsal und Schmerz, dann aber wird alles im Jenseits aufgehoben und dort ist alles paradiesisch. – Man könnte fast vermuten, dass Welt und Himmel nichts miteinander zu tun hätten.
Dieses Lied schlägt die Brücke – indem es das Symbol des Lichts Gottes heranzieht. Himmel und Erde, Gegenwart und Zukunft werden vom gleichen Licht Gottes durchstrahlt. Das gleiche Licht, vom gleichen Gott – natürlich in unterschiedlicher Intensität und Klarheit, und in unterschiedlichen Situationen. Aber doch das gleiche Licht.
Das Licht Gottes, das im Jenseits – so hoffen wir – uns ungehindert erfüllt und durchströmt, das müssen wir in dieser Welt halt immer wieder gezielt aufsuchen. Ob es Gottesdienste, gute Lieder, das Lesen der Bibel, oder Meditieren ist – da gibt es viele Facetten. Aber man findet es nicht überall.
So, wie man den Sonnenaufgang halt zwischen Gunzendorf und Wilhelmsdorf besonders gut erleben kann.
Suchen und finden muss da jeder von uns selber.
Amen