Radioandachten auf Charivari 98,6 im Mai 2014

Die Themen
Montag: Glauben muss man schon selber
Dienstag: Anti-Diät-Tag
Mittwoch: Telefonzellen im Wald
Donnerstag: Der Löwenzahn gewinnt immer
Freitag: Reli-Abitur
Samstag: Hände falten

Montag Glauben muss man schon selber

Guten Morgen,
ich hab da mal eine Bitte: Könnten sie nachher für mich mal etwas essen? Ich habe nämlich ganz schön Hunger. Und ich brauch so früh am Morgen unbedingt eine Kaffee – könnten sie dann auch noch einen für mich trinken?
Fall Sie mich jetzt für völlig dämlich halten – kann ich ihnen nur zustimmen. Es ist totaler Quatsch, für jemand anders zu Essen, oder zu trinken – das muss schon jeder selber tun – sonst hat er nichts davon.
Was erstaunlich ist: Beim Essen und Trinken versteht das jeder. Beim Glauben leuchtet das vielen nicht ein.
Da höre ich manchmal: Es ist schon wichtig, dass es die Kirche gibt, und dass wir Leute haben, die sich für das Geistliche, für Gott einsetzen. Auch der Sonntag mit den Gottesdiensten gehört dazu. Die soll man ja nicht abschaffen – ich gehe da zwar nie hin, aber es ist gut, dass man hinkönnte.

Ich bin der Meinung:
Wenn Leute das sagen, klingt das schön, macht aber im übertragenen Sinn nicht satt!
Glauben muss schon jeder für sich selbst.
Das ist so etwas persönliches, das muss man selber erleben – oder man hat nichts davon.
Hoffnung kann man nicht delegieren,
wenn mein Nachbar auf etwas hofft, hilft mir das nichts – erst wenn ich selber Hoffnung schöpfe, werde ich spüren, wie das mein Leben verändert.
Es ist eben wie mit dem Essen – die wichtigen Dinge im Leben kann man nicht von anderen erledigen lassen.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Dienstag: Anti-Diät-Tag

Guten Morgen,
heute ist der Internationale „Anti-Diät-Tag”. Ja, der wird immer am 6. Mai gefeiert.
Über den Unsinn von Schlankheitswahn und Brachialdiäten will ich jetzt gar nichts sagen – das wird ihnen heute noch oft genug über den Weg laufen.
Was mich am „Anti-Diät-Tag” verzaubert hat, ist eine Formulierung in den offiziellen Zielen dieses Tages:
Das heißt es „Würdigung der Vielfalt von natürlichen Größen- und Gewichtsunterschieden”
klingt das nicht schön?
Würdigen, dass es uns Menschen in so vielen verschieden Formen gibt.
Es ist schön, dass der eine ein bisschen größer ist – und der andere ein bisschen breiter ist.
Es ist in Ordnung, dass die eine eher ein dünner Hering ist, und die andere mit üppigen Rundungen ausgestattet wurde.
Schau auf deine Besonderheit – und nicht auf das, was du nicht hast.
In einem alten Psalm der Bibel hat jemand ein besonderes Loblied geschrieben:
„Gott, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! Großartig ist alles, was du geschaffen hast – das erkenne ich!”
Diesen Satz müsste man jedem Menschen mit in die Wiege legen und über den Spiegel schreiben..
Gott hat dich einzigartig gemacht – und dazu gehören auch deine Körperformen.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Mittwoch: Telefonzellen im Wald

Guten Morgen,
in einem Wald südlich von Potsdam stehen über 3000 Telefonzellen herum. Auf den Satellitenbildern von Google kann man sie sehen: Mitten im Wald ist da ein Gelände, so groß, wie ein paar Fußballfelder; und da stehen sie ordentlich nebeneinander, die Telefonzellen, die wir bis vor ein paar Jahren an den Straßenecken stehen hatten.
Als die Telefonzellen langsam aus unseren Städten verschwunden sind, habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wo die wohl hingekommen sind – die waren halt einfach weg.
Jetzt weiß ich, wo sie sind, dank der Perspektive „von oben” auf den  Satellitenbildern.
Es sind ja nicht nur Telefonzellen, die in den letzten Jahren aus meinem Blickfeld ins Nirgendwo verschwunden sind. Es gibt ja auch Menschen, die man aus dem Blick verliert, wo man keine Ahnung hat, was aus denen geworden ist. Manchmal ist das wirklich schade. Ganz schlimm ist es für Leute, denen ein nahestehender Mensch abhanden kommt. Einfach verschwindet, ohne dass man weiß, wo er ist, und ob er noch lebt.
Da gibt es kein Google-Satelliten-Bild, das uns das verraten kann.
Dann schaue ich mir noch mal dieses Bild mit den Telefonzellen an: Die da so beschaulich versammelt sind – keiner hatte eine Ahnung, wo die stecken … die waren einfach weg – aber doch hatten sie einen guten Platz gefunden.
Und da hoffe ich, und bitte meinen Gott darum, dass es um diese Menschen, von denen ich nichts weiß, nicht schlechter steht, als um diese Telefonzellen.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Donnerstag: Der Löwenzahn gewinnt immer

Guten Morgen,
der Löwenzahn gewinnt immer! Das ist zumindest meine Erfahrung im Garten. Da kannst du machen, was du willst – der Löwenzahn, der bleibt dir.  Der ist schier nicht auzurotten.
Er hat ja auch eine tolle Verbreitungs-Strategie: Wenn die Pusteblume ihr weißen Bällchen trägt … meine Tochter freut sich über die süßen kleinen weißen Fallschirme, die dann durch die Luft schweben, wenn sie kräftig bläst. Und so verbreitet sich der Löwenzahn unaufhaltsam.
Da fällt mir ein: Wir reden ja bei kleinen Hilfsaktionen angesichts großer Probleme oft vom „Tropfen auf dem heißen Stein”. Eben weil die Hilfe so klein und aussichtslos erscheint. Eine ziemlich entmutigende Vorstellung.
Warum reden wir da nicht von kleinen Löwenzahn-Fallschirmchen. Das wäre doch mal ein motivierendes Bild: Unsere kleinen Spenden angesichts einer Katastrophe sind wie viele kleine winzige Löwenzahn-Samen, die irgendwo landen und hoffentlich dann auch aufgehen.
Tausende kleiner Hilfen an tausenden Orten bringen dort etwas zum Blühen, und tragen vielleicht euch etwas weiter.
Das Gute – und sei es nur eine Kleinigkeit, ist nicht vergeblich – sondern wie beim Löwenzahn: Durch tausend kleine Schirmchen setzt es sich unaufhaltsam gegen alle Widerstände durch.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Freitag: Reli-Abitur

Guten Morgen, heute vormittag sitzen ein paar tausend bayerische Abiturienten über ihrer schriftlichen Abiturprüfung in Religion. Kurz vor den Prüfungen hat mir eine Schülerin gesagt:
Das beste Thema der letzten 2 Jahre waren die Religionskritiker. Feuerbach und Freund. Die waren total einfach zu verstehen. – Das andere war oft unglaublich kompliziert.
Ich habe diese Schülerin gut verstanden: Wenn man über Gott die Welt ernsthaft nachdenkt, liegen
ganz komplizierte Fragen auf dem Tisch: Warum lässt Gott das zu? Was kommt nach dem Tod? Weshalb bin ich mit mir selber so oft uneins? Wer war dieser Jesus, und was hat er mit mir zu tun?
Da beißen wir uns oft die Zähne aus.
Religionskritiker wie Freud und Feuerbach haben eine ziemlich einfache Lösung. Mit einem großen Lappen „Gott ist nur eine Illusion” wischen sie alle Fragen vom Tisch.
Mit etwas Psychologie nachpolieren – und alles glänzt wieder – Problem gelöst.
Aber Sie wissen es ja selbst: Unsere Welt lässt sich nicht mit ein paar einfachen Theorien erklären. Das wäre Selbstbetrug. Wir werden uns durch manche schwierige Frage einfach durchbeißen müssen. – So, wie unsere Abiturienten heute vormittag ab neun Uhr.
Denen wünsche ich ein gutes Gelungen beim Abitur-schreiben.
Und Ihnen wünsche ich kraftvolles Zubeißen bei den schwierigen Fragen des Lebens.

Samstag: Hände Falten

Frauen beten anders als Männer!  Ja, das hat mir jemand ganz überzeugend erklärt. Er hat zu unserer Gruppe gesagt: Faltet mal eure Hände, einfach so, und schaut nach, welcher Finger bei den gefalteten Händen der oberste ist.  Wir haben entdeckt: Die meisten Männer haben den linken Daumen oben, bei den Frauen wars der rechte! – Komisch! Erklärung haben wir keine gefunden – schade eigentlich.
Rund ums Beten gibts sowieso oft keine Erklärung.  Zum Beispiel würde ich gerne erklärt bekommen, weshalb mache Gebete erhört werden, und andere wieder nicht.
Na gut: umgekehrt erkläre ich meinem Gott ja manchmal auch nicht, weshalb ich etwas von ihm erbitte.
Aber das könnte ich ja ändern: öfter im Gebet wirklich erkären, was mir wichtig ist.
Dass so richtig ein Gespräch mit Gott draus wird. Mit Argumenten, mit abwägenden Worten, auch mit den offenen Fragen, die ich so habe.
So, wie wenn ich einen Freund für eine gute Sache gewinnen müsste.
Das ist wirklich einen Versuch wert. Manchmal wird bei so einen Gespräch mit Gott  auch für mich selbst eine komplizierte Sache klarer. Ich bin nachher schlauer als vorher.
Bloß das mit den Daumen … das bleibt wohl doch ungeklärt.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag

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