Andachten auf Charivari 98,6 im Juni 2012

– Montag: Kläranlage
– Dienstag: Wasserscheue Meerschweinchen
– Mittwoch: Geisterbahn
– Donnerstag: Berufe, die erfüllen
– Freitag: Galileos Prozess
– Samstag: Warum?

Kläranlage

Guten Morgen,
bei meiner Joggingrunde in der Frühe bewundere ich immer wieder unsere Kläranlage. Fei echt! Zuerst lauf ich an den großen Absetzbecken vorbei, die sind wirklich ekelig, oben schwimmt so eine breiige Kruste – will gar nicht wissen, was das alles ist. Aber so 100 Meter weiter kommen dann diese runden Becken, wo Luftblasen blubbern, alles ist noch total braun … aber man merkt: Es wird schon besser. Und dann sind es noch ein paar Schritte, dann hört der Zaun um die Kläranlage auf und da sind diese Klär-Weiher: Da schwimmen ein paar Enten auf dem Wasser, am Ufer steht das Gras im satten Grün. Und der Rest meiner Joggingstrecke geht an der Aurach entlang. Klares Wasser, da gibts bestimmt auch Forellen – jedenfalls hab ich auch schon Angler gesehen.
Ja, vor vier Minuten bin ich an der bräsigen stinkenden Brühe vorbeigelaufen, und jetzt gluckert hier ein fröhliches Flüsschen. Wissen Sie: Ich finde, es ist etwas Wunderbares, dass sogar aus dem grausligsten Scheiß noch was Gutes werden kann. In der Kläranlage und im echten Leben … manchmal braucht man dazu aber eine etwas längere Wegstrecke.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Wasserscheue Meerschweinchen

Guten Morgen,
wussten Sie schon, dass Meerschweinchen ausgesprochen wasserscheu sind? Das passt ja gar nicht zu ihrem Namen!  Dem Meerschwein graust schon vor einer kleinen Wasserpfütze.  Das kühle Nass ist einfach ist sein Element. – Da kannst du nichts machen, es ist halt nur der Name….
Ich überlege, wie das mit getauften Christen ist, mit Kirchenmitgliedern, die ihre Kirche genauso meiden, wie die Meerschweinchen das Meer. Christen, die sagen, dass sie mit dem Christentum nichts anfangen können.  Und da gehts ja nicht nur um den Namen.  Was ist da schief gelaufen, dass viele Kirchenmitglieder schon ewig nicht mehr in ihrer Kirche waren?
Ich habe da keine Antwort. Aber wissen Sie:  Bei dem Meerschweinchen ist das mit dem Wasser schon immer so gewesen; und das kann und braucht man nicht ändern.
Aber Menschen sind ja keine Meerschweinchen. Wir könnten uns das ja mal wieder anschauen: Wie die Kirche ist, vielleicht anders, als damals, als man von 10 Jahren das letzte mal dort war. Neue Pfarrerin, veränderter Raum, andere Themen.
Da könnte man ja mal hingehen – außer sie sind „kirchenscheu”! Aber ehrlich; das glaub́ich nicht.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen.

Geisterbahn

Guten Morgen,
da ist doch tatsächlich ein Vater zur Polizei gegangen und hat den Betreiber einer Geisterbahn angezeigt! Wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz: Die vielen gruseligen Figuren an der Fassade der Geisterbahn, die Skelette und abgesägten Köpfe hätten seinen Sohn so erschreckt, dass er abends nicht einschlafen konnte.
In der Zeitung steht auch, dass die Polizisten haben den Mann nicht so ganz erstnehmen konnten. Vielleicht deshalb, weil sie tagtäglich mit der echten Geisterbahn mancher Kinder konfrontiert sind: Dem Grauen ihres Alltags:
Da sieht man Kinder, die mit blauen Flecken übersät sind.
Kinder, die erleben, wie der Alkohol ihre Eltern zerstört.
Solche, denen keine Wertschätzung und keine Liebe weitergegeben wird.
Schüler, denen der überzogene Ehrgeiz der Eltern die Freude an Schule und Lernen ruiniert.

Eine Geisterbahn bei der oft auch die Polizei machtlos ist. Leider könnten wir da oft nichts ändern. Aber wir können für solche Kinder offen sein, diese armen Schlucker mit den eigenen Kindern spielen lassen … sie nicht ausgrenzen – dann hätten wir ihnen schon so manche Atempause von ihrer Lebens-Geisterbahn gegönnt.
Einen guten Tag wünsche ich ihnen.

Erfüllende Berufe

Umzingelt von dutzenden uralter Radioempfänger stehen sie zusammen: Alte Männer, mit grauen dünnen Haaren: Aber mit leuchtenden Augen. Sie erzählen von der Baureihe, die nach dem Krieg auf UKW-Radioempfang umgebaut wurde. Sie Schwärmen von alten Verstärker-Röhren, drehen diese Glaskolben zwischen den Fingern, als wären es Rohdiamanten.
Früher, so erzählt mir einer, hat er bei Grundig Radiogeräte gebaut – der andere hatte ein Elektrogeschäft, hat sein Leben lang Fernseher und Radios verkauft und repariert.
Und immer noch sind sie Feuer und Flamme für diese – für ihre alten Radios – die alten Männer im Radiomuseum bei Emskirchen.

Ich habe mir überlegt, wie das in meiner Generation aussieht:
Ob wir 40 Jahren auch noch so begeistert von unseren Berufen schwärmen? Auch 20 Jahren nach der Rente erfüllt von dem, was man gearbeitet und geschaffen hat? Oder wollen wir nichts mehr davon hören? Weil der Beruf uns aufgefressen und verschlissen hat? Ein bisschen war mir diese Begegnung eine Mahnung:  Du kannst sicher über tausend Schwierigkeiten am Arbeitsplatz jammern. Aber wenn du auf das achtest, was daran schön ist, dann tust auch was für deine innere Haltung zu deiner Arbeit. Und vielleicht denkst du dann auch einmal gerne mit leuchtenden Augen an diese Zeit zurück.

Galileos Prozess

Guten Morgen,
genau heute vor 379 Jahren stand Galilei Galileo in Rom vor einem päpstlichen Gericht. Es ging um ein astronomisches Buch, in dem er erläuterte, dass die Erde sich um sich selbst dreht und dabei auch um die Sonne kreist. – Das hat man in Rom damals vehement bestritten. Galileo war sich sicher, recht zu haben – aber er musste an diesem 22. Juni erkennen: Entweder ich widerrufe wider besserem Wissen, meine eigene Theorien. Oder ich ende auf dem Scheiterhaufen.
Was will ich sein: Ein toter Besserwisser oder ein lebender Feigling? Galileo hat sich für die Feigling-Variante entschieden. Er hat seine Theorien offiziell verworfen … kam mit dem Leben davon und hat im Stillen weitergeforscht und seine Thesen Stück für Stück präzisiert. Letztlich hat sich seine Theorie durchgesetzt – dass hat auch die Kirche hundert Jahre später erkannt und Galileos umstrittenes Buch veröffentlicht. Ich denke, es gibt manchmal Wahrheiten, für die ist die Zeit noch nicht reif.
Obwohl du Recht hast, wilĺs keiner hören. Du kannst dich aufregen und zum Märtyrer werden, aber es wird nichts helfen. Dann mach́s wie Galileo, murmle leise „und sie dreht sich doch” und warte geduldig auf den richtigen Moment. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.

Warum?

Guten Morgen,
in der fünften Klasse des Gymnasiums haben wir kürzlich diskutiert: Warum lässt es Gott zu, dass kleine Kinder sterben? Die haben doch nichts getan – das ist doch nicht fair! Und diskussionsfreudig wie diese Klasse ist, haben die Schüler dann Theorien entworfen, wo der Grund liegen kann, oder wofür es gut sein kann, dass da so etwas schlimmes geschieht. Teilweise ganz kindliche Ideen, aber auch so erwachsen klingende Antworten, wie: Wer weiß, was dem Kind an Schlimmen erspart worden ist.
Aber immer mehr haben sie entdeckt: Unserer Erklärungen funktionieren nicht. Wir haben keine Antwort – der Sinn eines solchen Todes bleibt uns verborgen.
Ja, und Gott ist uns in so einer Situation ein Rätsel.
Wenn die Fünftklässler dann heimgehen, und die Mama fragt: Na, was habt ihr heute in Reli gelernt?
Dann kanns sein, dass da die Diskussion weitergeht ~ die Frage nach dem Warum des Schlimmen in der Welt.
Denn mit dieser Frage werden wir nie fertig sein – sie wird uns immer wieder im Leben begegnen. Darum sollte man frühzeitig lernen, sie zu stellen, mir ihr zu kämpfen, und … zu sich einzugestehen, dass wir keine befriedigende Antwort finden.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

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