Predigt. Entscheidung um 16:00 Uhr (Johannes 1, 35-42) 16. Juli 2017

Joh 1, 32-42

In der Szene aus Joh 1 geht es um eine Entscheidung, die getroffen werden muss, bevor die Gelegenheit vorbei ist. Diese Frage des Kairos steht im Zentrum der Predigt. Nebenbei wird auch ein Blick darauf geworfen, wie die anderen Evangelisten mit dieser Erzählung umgegangen sind.

Predigttext Joh 1, 35-42

35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!
37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.
38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.
41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.

Liebe Gemeinde

was sie eben gehört haben, sind die ersten Worte über Jesu Leben im Johannesevangelium. Der Evangelist Johannes erzählt viel, und erzählt vieles nicht: Keine Maria, kein Josef, keine Geburt im Stall von Bethlehem. Das alles schreibt dieser Johannes nicht auf.

Johannes tickt anders

Viele dieser schönen Geschichten erscheinen ihm nicht erzählenswert. Vielleicht deshalb, weil es ja schon vor ihm genügend Menschen gegeben hat, die das alles aufgeschrieben haben. Da muss er nicht die vierte Auflage produzieren … er will von Jesus erzählen, und dabei das zu Papier bringen, was uns Neues entdecken lässt, neue Szenen aber auch neue Themen und Perspektiven auf das Leben Jesu.

Matthäus, Markus und Lukas – diese drei Evangelisten waren ihm wahrscheinlich zu ähnlich – haben zu oft fast wortwörtlich die gleichen Berichte in ihr Evangelium aufgenommen. Johannes, der sich wohl dreißig Jahre nach den ersten Evangelisten ans Werk macht, nimmt so auch Erzählungen und Berichte und Reden auf, die wohl viele damals kannten, aber die es eben nicht in die drei anderen Evangelien geschafft haben.

Beim manchen dieser Erzählungen kann der Grund darin liegen, dass sie mit den altbekannten Geschichten nicht so gut zusammen passten. Und unser Predigttext für heute ist so eine Erzählung – denn sie ist irgendwie ganz anders als die Szene, die wird vorhin in der Evangelienlesung gehört haben.
In beiden geht es um Andreas und um Simon Petrus.
Bei Lukas spielt sich das ganze am Seeufer ab, spektakulär wird ein Netz voller Fische eingeholt, bevor Jesus sagt “Von nun an wirst du Menschen fischen”.
Aber hier bei Johannes steht nichts vom wunderbaren Fischzug, nichts vom Boot, das sie zurücklassen. Es läuft irgendwie anders. Warum passt das nicht zusammen?
Es gibt viele Theorien. Ging es vielleicht um andere Jünger, aber man hat nach 30 Jahren die Namen vertauscht? Wir wissen es nicht.
Jedenfalls – das kann man festhalten – hat Johannes diese Erzählung für enorm wichtig gehalten (trotz dieser Ungereimtheit hinsichtlich der Namen), sonst hätte er sie nicht aufgeschrieben
Darum schauen wir mal darauf, was da so neu und bedeutsam ist.

Johannes: Die Puzzleteile sortieren sich neu

Johannes stand abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.

Da steht Johannes der Täufer mit zweien seiner Jünger. Ja! Er hatte auch Menschen, die ihn verehrten, die seinen Worte genau lauschten die sich viel von ihm erwarteten. Johannes war damals ein Star. In Scharen kamen die Menschen zu ihm, um sich von ihm taufen zu lassen – um sich dadurch vorzubereiten auf das kommende Reich Gottes. Er war bekannt, beliebt und zugleich verhasst – weil seine Botschaft vom kommenden Reich Gottes Unruhe mit sich brachte.

Aber er war sich wohl bewusst, dass er nicht derjenige sein sollte, der selbst dieser Welt eine neue Richtung geben sollte. Nur wusste er bis zur ersten Begegnung der beiden nicht, wer derjenige sein wird.

Und als Jesus und Johannes sich begegnen, reicht ein Wort des Johannes, um diesen Männern klar zu machen: Dieser Jesus ist der Mann, dem die Zukunft gehört. Er ist “das Lamm Gottes”, der Gesandte, der Messias.
Und – Respekt – die Jünger ergreifen die Chance, jetzt dem Mann zu folgen, der diese Welt verändern wird, weil Gott ihn dazu bestimmt hat.

Der richtige Moment

Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.

Liebe Gemeinde
es ist die zehnte Stunde – also nachmittags um vier passiert das. Zur besten Kaffee-Zeit lädt Jesus diese beiden Männer ein: “Kommt mit, und schaut es euch an”.
Was passiert da?
Ein Mini-Praktikum von 16 bis 20 Uhr?
Ein gemütliches Gespräch bei einer Tasse heißem Tee?
Viel kann es ja eigentlich in der kurzen Zeit nicht gewesen sein, was die Jünger da erleben … aber es schlägt ein!

Jesus sagt: Kommt und seht.
Bei mir kauft ihr keine Katze im Sack. Kommt und erlebt, worum es bei mir geht.
Kommt und seht – dann könnt ihr euch entscheiden.
Wobei: Entscheiden müsst ihr euch irgendwie schon vorher. Ihr müsst euch zuallererst entscheiden, ob ihr es heute nachmittag mit mir versucht! Ihr müsst euch jetzt entscheiden, um euch später wirklich entscheiden zu können.
Heute nachmittag – das ist eure Gelegenheit.

Ja … Entscheidungen … das ist so ein Sache.
Die liegen ja oft völlig unvermittelt vor uns – so wie hier Jesus gerade jetzt an den beiden Jüngern vorbeiläuft.
Momente, die förmlich danach rufen, dass du dich jetzt mal entscheiden solltest.
Dann fängt sie an zu ticken ……. die Uhr, die diesem Moment innewohnt …. manchmal wie ein Countdown, von dem man nicht weiß, wann es zu spät ist, “ja” zusagen.
Momente im Leben – da wird einem klar, dass sich jetzt etwas verändern müsste.
Manchmal ist das so sonnenklar: “jetzt muss sich etwas tun!” – und doch macht die Tragweite der Entscheidung Angst. Du zögerst, hoffst, dass die Zeit für dich arbeitet.
Aber zugleich spürst du, dass das “ja”, mit dem du kämpfst, letztlich ein “nein” bedeutet, solange du dich nicht wirklich entscheidest.

Du blickst der Gelegenheit hinterher, so wie die Jünger diesem Jesus in ihrer Straße hinterherschauen. So lange sie ihn sehen, ist die Entscheidung, ihm zu folgen, möglich.
Aber wenn er irgendwann in eine Seitengasse abbiegt – kannst du ihm dann noch finden, im Gewirr der kleinen Gässchen und Hinterhöfe?

Wer den Moment der Entscheidung versäumt, spürt bald, wie der eben noch brennende Gedanke an Brisanz verliert, wie er zerbröselt … in viele kleine fragwürdige Stücke, in zahllose Krümel, auf denen seltsame Worte stehen: “vielleicht”, “ob”, “könnte”, “wer weiß” und “aber”. – Zu spät!

Nachmittags um vier hat sich für diese Jünger alles entschieden. Eine Lebensentscheidung zu besten Kaffezeit. Die beste Entscheidung ihres Lebens war noch vor dem Abendessen spruchreif geworden.

Wo bleibst du? – Leben als Fels!

Liebe Gemeinde,
das hat aber längst nicht bedeutet, dass die Jünger genau gewusst hätten, worauf sie sich da einlassen. Das deutet sich schon beiden ersten Sätzen an, die si mit Jesus wechseln. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben?
“Rabbi, wo wirst du bleiben”
– Wo bist du daheim?
– Wo können wir dich finden?
– Worauf können wir dich festlegen?
– Wofür stehst du?

Wie gerne hätten wir klare Antworten, unverrückbare Tatsachen und feste Zusagen. Wie schön wäre es, wenn wir mit der Entscheidung, auf Jesus zu vertrauen, alle offenen Fragen und alle Probleme beseitigt hätten!

Aber das verspricht er nicht. Jesus sagt “Kommt und seht!”. Macht euch mit mir auf den Weg. Bleibt unterwegs. Stellt euch den Fragen, auf die ihr euch im Leben nicht vorbereiten könnt. Aber bleibt mit mir auf dem Weg.
“Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege (Mt 8,20)” Jesus und seine Jünger bleiben unterwegs.
Zwischen Kapernaum und Jerusalem
Zwischen Hoffen und Enttäuschung.
Zwischen Schriftgelehrten und Zöllnern.
Zwischen allen Stühlen.
Zwischen Himmel und Erde.

Das ist spannend – spannungsvoll – hin-und-her-gerissen, das kann einen ja wirklich aufreiben. Da fragt man sich: Auf was hast du dich da bloß eingelassen?

Aber da sehen ich in dieser Erzählung, wie die Gruppe der Jünger wächst. Denn Andreas ist nach seiner Entscheidung für den Weg mit Jesus noch zu seinem Bruder Simon gerannt und hat ihm davon erzählt – und der entscheidet sich auch für diesen Weg. Auch er nutzt diese Gelegenheit – hat den Mut zum “Ja”.
Und diesem Simon sagt Jesus: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.

Was für ein Signal für diesen jungen Mann:
In allem was da kommt.
In allem hin und her.
In allem Grübeln und Zweifeln unterwegs sagt Jesus “du bist ein Fels”.
Und ich ahne; es geht hier nicht nur um Simon – es geht um jeden von uns, die wir Jüngerinnen und Jünger Jesu sind
“Du bist Fels”
Auch wenn die Wellen des Lebens dich umtosen: Du brauchst dich nicht irre machen lassen. Du bist “Fels”, weil Gott dich hält. Dein Glaube wird dir Stabilität verleihen. Selbst wenn du dich manchmal gar nicht wie in Fels fühlst, – so umspült, unterspült und hinterfragt – bist du einer.

Denn wir so oft: Es kommt nicht drauf an, dass du so stabil und unerschütterlich bist. Sondern du hast einen Gott, der dich nicht verlässt und sich so zum Felsen macht. Denn er hat sich für dich entschieden, so wie du dich für ihn entschieden hast.

Amen

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