Predigt: Andere Länder, andere Sitten – und immer wieder Gottes Fingerabdrücke (Themenpredigt) 17. April 2016

Malanderelaender etwas ganz Anderes: Ich stelle eigentümliche Gebräuche aus fünf Ländern vor, und gehe auf die Spurensuche nach Gottes Fingerabdrücken: Was steht also theologisch dahinter, wenn die Niederländer alle Gäste eines Geburtstagsfeier beglückwünschen? Eine Entdeckunsreise von den Niederlanden nach Japan, über Tansania nach Spanien und Schweden.

Liebe Gemeinde
in der Lesung haben wir vorhin von Paulus gehört, der den Leuten in Athen von Gott erzählt hat, indem er sie auf ihre eigenen Erfahrungen mit der Schöpfung, und mit den Fragen ihres eigenen Daseins gestuppst hat. Sie sollten entdecken, wo in ihrem Leben Gottes Fingerabdrücke zu finden sind:
Damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.  Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (Apg 17, 27-28)
Ich habe mir gedacht, wie wäre es, wenn man heute einen Blick auf die Länder unserer Erde wirft, und da einmal ein paar Fingerabdrücke Gottes entdeckt? Und zwar einmal da, wo wir es gar nicht erwarten, nämlich im Alltag, in den manchmal eigentümlichen Sitten und Gebräuchen mancher Völker auf unserem Globus.

Niederlande
Beginnen wir einfach einmal bei den Niederländern. Wenn du da auf einen Geburtstag gehst, dann gratulierst du da nicht nur dem Geburtstagskind zum 40. Geburtstag, sondern auch den Gästen: „Herzlichen Glückwunsch zu deinem Ehemann, zu deinem Bruder, zu deinem wunderbaren Schwager, der heute 40 Jahre alt wird.“ Also man macht da die ganze Runde durch die Geburtstagsgäste und gratuliert ihnen dazu, dass sie diesen Menschen als Freund oder Verwandten haben.
Und Sie ahnen schon: Was zunächst lustig bis verrückt klingt, drückt eigentlich eine ganz besondere Wertschätzung dieses einen Menschen aus.
Wenn ich also zu deiner Schwester sage: „Mädel, was kannst du froh sein, dass du diesen Bruder hast … da hast du es wirklich richtig gut erwischt!“ , dann bekommt die Geburt eines Menschen eine ganz besondere Qualität: Er ist dann nicht einfach so zufällig und überflüssig auf diese Erde geplumpst. Nein, er ist ein ganz besonderes und spezielles Geschenk für seine Eltern, seine Freunde …. ein Geschenk für diese Welt.
Wenn ich mir das selber sage, fühlt sich richtig gut an! Sich selber bewusst zu machen, dass Gott sich etwas dabei gedacht hat, dass ich hier auf dieser Erde bin; dass ich genau in diesem Dorf, bei diesen Menschen gelandet bin. Da spüre ich die Würde, die ich als Geschöpf  Gottes habe. Und ich denke an die Schöpfungserzählung in der Bibel: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ (Gen 2,15)
Ich bin für etwas gut auf dieser Welt – ok – manchmal muss man da ganz schön lange suchen, bis man seinen Platz auf dieser Welt findet, die Aufgabe, für die man da ist. Und manchmal machen wir wohl auch den Fehler, dass wir nach den spektakulären Dingen Ausschau halten – und lange vergeblich suchen. Denn vielleicht sind es ja auch gerade die kleinen Aufgaben, bei denen ich ein Geschenk für diese Welt bin.
– Soweit der Erste Fingerabdruck Gottes in den Niederlanden –

Japan
Werfen wir einen Blick in die weite Ferne – nach Japan. Ich habe gehört, dass man in Japan, bei einem Besuch genau darauf auchten muss, wie weit sich der Gastgeber vor einem verbeugt. Denn es gehört zum guten Ton, dass der Gast sich ein bisschen tiefer zurückverbeugt. Alles andere würde man als arogant und demütigend empfinden.
Es scheint eine typisch japanische Tugend zu sein, genau darauf zu achten, dass man in seinem Verhalten den anderen nicht kränkt oder verletzt. Das kann sogar soweit gehen, dass ein Sportler beim Sieg über seinen Gegner nicht triumphierend jubelt, sondern sich eher im Stillen freut, schließlich möchte er Rücksicht auf die Gefühle des Unterlegenen nehmen.
Eigentlich ist diese Perspektive nicht ausschließlich im fernen Osten zu finden.
Da ist mir eingefallen, dass schon der Apostel Paulus gesagt hat: „in Demut achte einer den andern höher als sich selbst“ Das würde ja fast schon als Regel für dieses japanische Verbeugungs-Ritual durchgehen.
„Ein jeder achte den anderen höher als dich selbst.“  Das ist eine schöne Grundhaltung für das menschliche Miteinander. – Die könnte man noch ausbauen:
Erachte dein Gegenüber auch schlauer als dich selbst und glaube nicht, dass du immer alles besser wüsstest.
Erachte den Anderen verletzlicher als dich selbst und gehe mit deinen Worten entsprechend vorsichtig um, damit du ihm nicht weh tust.

Diese Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Und damit könnten wir uns auch immer mehr überfordern – so dass wir dann sagen: Das schaffe ich sowieso nicht. Darum nur diese drei.
Wenn ich allein diese drei Kleinigkeiten im Hinterkopf behalten würde: Den anderen höher, schlauer und verletzlicher als mich selbst einzuschätzen, ich glaube, da müsste oft genug das, was ich tagtäglich rede und schreibe, ganz anders aussehen ….

Tansania
Wechseln von Asien zu einen weiteren Kontinent: Afrika! Ich kann mich noch erinnern, als ich vor vielen Jahren in Tansania mit dem dortigen Pfarrer in seiner Gemeinde unterwegs war, da mussten wir immer erst mal einige hundert Meter durch die Wildnis laufen, bis wir  beim nächsten Haus waren. Und wenn wir dann in der Lichtung ankamen, in der das Haus stand, rief er lauf „hodi“ Das heißt nichts anderes als „klingeling“.  Denn es gibt da in der Regel keine Türklingel. Also ruft man schon von weitem „hodi“ – so weiß der andere, dass jemand kommt, und ist nicht erschreckt, weil ich plötzlich im Hauseingang auftauche
Was auch wichtig ist: Ich gehe erst ins Haus, wenn der andere mit „karibuni“ antwortet. Dann weiß ich: Es passt dem Anderen, ich bin willkommen. Ansonsten geht man einfach wieder!
Eine schöne, rücksichtsvolle Tradition.
Das gefällt mir besser, als wenn Menschen aus Gewohnheit schon anfangen an der Türe Sturm zu klingeln, wenn man nicht bereits nach 15 Sekunden geöffnet hat.
Auch schöner, als wenn Leute  abends um 10 auf meinem Handy anrufen, ohne nachzufragen, ob sie nicht vielleicht gerade stören könnten.
Da ist die moderne Technik mit klingeln, und anrufen und mailen, und whattsappen schon verführerisch, einfach jeden nach Belieben zu jedem Zeitpunkt zu belagern.

„Hodi“ – das ist das afrikanische Zauberwort: Vorsichtig nachfragen, ob es denn gerade passt dass ich vorbeischaue, ob es ok ist, dass ich jetzt mit einer etwas längeren Geschichte komme, die ich unbedingt weitererzählen will.
So ein bisschen „Hodi“ – statt selbstverständlich selbstbewusst in das Leben des Anderen hineinzugrätschen.
Ein bisschen mehr Hodi – das würde uns wirklich gut tun.

Spanien

Kehren wir zurück auf unseren Kontinent nach Europa, und zur nächsten Eigentümlichkeit eines Landes: Wenn jemand in Spanien niest, sagen die anderen Menschen nicht „Gesundheit“, sondern „Jesús“. Also Jesus! Warum sie den Namen von Jesus rufen, dazu gibt es verschiedene Theorien. Eine geht davon aus, dass man im Mittelalter befürchtet hat, dass beim heftigen Niesen und den anschließenden Luftholen, etwas Böses in den Menschen eindringen könnte, darum spricht man zur Abwehr den Namen Gottes aus. Aber das ist nur eine Vermutung.
Unterm Strich geht es natürlich darum, dass man dem Verschnupften wünscht, dass Gott ihn wieder gesund werden lässt.
Gott zu bitten, dass jemand gesund wird – das ist ja nicht mehr so gefragt. Weil wir es ja gewohnt sind, dass die Medizin so ziemlich alles wieder hinbiegen kann. Erst wenn auch die Ärzte hilflos mit den Schultern zucken, heißt es: Da hilft nur noch beten – eben dann, wenn gefühlt alles zu spät ist.
Warum eigentlich nicht eher?  Da könnten wir uns von den Spaniern mit ihrem Jesús-Ruf beim Niesen etwas abschauen: Ganz alltäglich auch Gott um Gesundheit zu bitten.
Achtung: Luther hat in seiner Auslegung zum Vaterunser gesagt, dass zum täglichen Brot auch die eigene Gesundheit gehört, genauso wie Essen, Trinken, gute Freunde und eine gute Regierung.
Also die spanische Vorstellung, dass mich jedes Niesen daran erinnert: „Danke deinem Gott für deine Gesundheit, beziehungsweise bitte ihn um Gesundheit“, das finde ich schon faszinierend! Auf der anderen Seite fällt mir ein: Wie oft sagen wir Deutschen „Gott sei Dank“ …. und wie oft machen wir uns wirklich dabei bewusst, dass wir damit Gott für etwas danken? Manchmal wird es halt zur bloßen Redewendung – und wir müssen uns immer wieder selbst daran erinnern, was sie eigentlich bedeutet.

Schweden
Liebe Gemeinde, der letzte Blick geht nach Schweden. Ich habe gelesen: In Schweden ist es ganz normal, dass man im Haus keine Schuhe trägt. Wenn man als Gast oder auch als Handwerker jemanden besucht, zieht man meine Schuhe aus, und schleicht auf Socken durch die Wohnung.
Ich weiß gar nicht, ob es da ausschließlich um Sauberkeit geht.
Auch so als Pfarrer lasse ich meistens meine Schuhe an, wenn ich zu Besuch komme. Bei Familien mit kleinen Kindern, bei Taufgespräch ziehe ich sie eigentlich immer aus, weil ich da nicht den Straßenstaub reintragen will, wo die Kinder krabbeln.
Ehrlich gesagt: Es fühlt sich für mich als Gast auch wirklich ganz anders an, wenn ich ohne Schuhe auf dem Sofa sitze. Da fühle ich mich viel gegenwärtiger und heimischer, als wenn ich noch meine Wanderschuhe anhabe.
Der direkte Kontakt mit dem Boden, der macht etwas mit uns Menschen. Wir sind da anders da; vielleicht intensiver?
Wir kennen alle die Geschichte von Mose, der den brennenden Dornbusch entdeckt, in dem ihm Gott begegnet. Und der sagt als erstes: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! (Ex 3,5) Da, wo ich stehe und Gott begegne, da brauche ich eigentlich direkten Bodenkontakt.
Ob Muslime deshalb in Moscheen die Schuhe ausziehen? Um sich mit dem Gotteshaus verbundener zu fühlen? Mir würde es einleuchten.

In unseren oft furchtbar kalten Kirchen kann ich mir nicht vorstellen, auf Socken herumzulaufen. Aber es wäre mal interessant das auszuprobieren! Vielleicht mal zur Kirchweih?  Und doch will ich dran denken:  Ein bisschen ist es in der Kirche, wie wenn ich zu Gott ins Wohnzimmer komme – um ihn zu begegnen von ihm Neues zu hören und ihm meine Sorgen zu sagen.
Auch wenn Gott überall ist: Die Kirche ist für mich dann doch seine Wohnung und was ganz besonderes.
Ob ich dazu die Schuhe ausziehe mag vielleicht egal sein. Aber dass wir uns bewusst machen: Wenn wir hier sind, in unserer Kirche dann sind wir in besonderer Weise bei Gott zu Besuch.

Liebe Gemeinde soweit unser heutiger Blick auf die verschiedenen Eigenheiten der Völker dieser Erde, in denen wir immer wieder Gottes Fingerabdrücke entdecken können:
Mit den Schweden entdecken wir, die Kirche als Wohnzimmer Gottes.
Die Spanier erinnern uns daran, mit Gott über unsere Gesundheit zu sprechen.
Tansania und Japan mahnen uns zur Rücksicht auf einander, und das wir einander höher schätzen als uns selbst.
Und aus den Niederlanden nehmen wir den Gedanken mit, dass jeder einzelne von uns ein Geschenk für diese Welt ist.

Amen

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Ein Kommentar

  1. Barfuß in die Kirche ist eine tolle Idee, schade dass der Gründonnerstag so früh im Jahr ist

    Allerdings einen Barfuß-Open Air Gottesdienst könnte man doch im Sommer mal ins Auge fassen? Gerade um auch „von Kopf bis Fuß“ ein tolles Erlebnis zu haben! Stell ich mir spannend vor 🙂
    Vielleicht ergibt sich ja was…
    Danke für den schönen Vergleich einiger unterschiedlicher Sitten. Die Wertschätzung in den Niederlanden würde einigen von uns sehr gut tun, besonders in dieser Leistungsgeilen Gesellschaft in der wir momentan leben…

    Freue mich auf weitere Beiträge von dir, vielen Dank für deine Mühen!

    Liebe Grüße aus Windsa 😉

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