Predigt: Reformation in Gollhofen – Die Jahre 1517 bis 1552, Kirchweihmontag, 31. Oktober 2005

Ein Blick in die Geschichte unserer Kirchengemeinde

Was geschah zwischen dem Thesenanschlag Luthers 1517 und dem Wechsel unserer gemeinde Gollhofen zum evangelischen Glauben im Jahr 1552? Dazu werfen wir einen Blick in die Chronik von Gollhofen:

1517

Im Reformationsjahr wird in der Kirche von Gollhofen das Sakramentshaus im Altarraum errichtet. Der Hase an einer Seite verweist möglicherweise auf einen damaligen Bürgermeister mit Namen Has. Von dem, was sich in Wittenberg um den Theologieprofessor Martin Luther abspielte, nahm man keine Notiz.

1524

Der Limpurgische Schenk Gottfried tritt mit anderen Fürsten, Grafen und Herren zusammen, um gemeinsam über die aktuelle Situation zu sprechen. Offenbar gibt es einige Verwirrungen angesichts des neuen von Luther aufgebrachten Glaubens.

Ein Reichstag in Nürnberg hatte zuvor als Kompromissformel formuliert: Jeder soll bis zur weiteren Klärung der Lage auf einem Reichstag in Speyer das Evangelium nach seinen besten Verstande predigen. Und in den strittigen Fragen soll sich ein jeder Pfarrer mit den ihm übergeordneten geistlichen und weltlichen Herren beraten und einigen.

 

1528

gibt es eine scharfe Auseinandersetzung um Seenheim, das ja zu Gollhofen gehört. Der Gollhöfer Pfarrer verlangt, dass die Seenheimer an den hohen Festtagen nach Gollhofen zur Kirche kommen. Der Gollhöfer Pfarrer sieht wiederum seine Aufgaben in Seenheim lediglich im Taufen und im Vollzug der letzten Ölung. Er erhält dafür den gesamten Zehnten der Seenheimer und verwendet nur einen kleinen Teil davon, um einen ihm untergebenen Priester für Seenheim zu bezahlen. Darüber sind die Seenheimer unzufrieden und fühlen sich ausgenutzt. Mehrere Schreiben gehen hin und her, die Markgrafen von Ansbach werden eingeschaltet, was aber letztlich auch nichts verändert.

 

1530

Am Tag vor Palmsonntag stirbt Schenk Gottfried von Limpurg, sein Sohn Karl wird 32-jährig Nachfolger. Karl ist ein überzeugter Anhänger der lutherischen Lehre, jedoch ist ihm die Unruhe, die die Reformation in den deutschen Landen mit sich bringt, suspekt. Außerdem ist er grundsätzlich sehr konservativ. Da er gegenüber dem Bischof von Würzburg in einem Lehensverhältnis steht, ist die Einführung der Reformation in seinem Gebiet zunächst nicht zu erwarten.

 

1539

Auch beim Pfarrerwechsel im Jahr 1539 ist Erbschenk Karl damit einverstanden, dass der Würzburger Bischof mit Caspar Spannkuch einen katholischen Priester entsendet.

 

1544

In diesem Jahr ist erkennbar, dass der Gollhöfer Patron mit dem Wechsel zum evangelischen Bekenntnis ernst machen will: Auf dem fränkischen Grafentag schließt sich Karl den Fürsten an, die sich zum Bekenntnis der Lutherischen halten.

 

1552

Um Ostern herum fallen hessische Reiter in Gollhofen ein und plündern das Pfarrhaus, in dem immer noch Pfarrer Spannkuch lebt. Er selbst wird misshandelt und verlässt Gollhofen.

So setzte am 27. April 1552 Erbschenk Karl den Bischof in Würzburg davon in Kenntnis, dass der Gollhöfer Pfarrer Spannkuch durch einen evangelischen Kollegen aus dem schon seit 1528 evangelischen Uffenheim ersetzt werden wird.

Pfarrer Zeller ist in Uffenheim schon auf dem Sprung. Offenbar lag er mit dem dortigen Spitalpfarrer im Streit.

Christoph Zeller hat  wahrscheinlich zehn Jahre zuvor in Wittenberg studiert. So ist es möglich, dass er dort auch Luther noch selbst getroffen und gehört hat.
Am 12. Mai 1552 wurde Christoph Zeller zum Pfarrer von Gollhofen ernannt. So
wurde Gollhofen quasi über Nacht evangelisch.

 

1558

In trockene Tücher kommt das Luthertum in den limpurgischen Landen, als Schenk Karl sich 1558 kurz vor seinem Tod offiziell dem Frankfurter Rezess anschließt. In diesem Dokument erkennen die protestantischen Fürsten die Auslegung des lutherischen Glaubens durch Phillip Melanchthon als ihren eigenen Standpunkt an.

 

Ansprache

 

Liebe Gemeinde,

wir haben jetzt gesehen, wie in etwa die Reformation nach Gollhofen kam. Genau genommen haben wir vor allem erfahren, was auf der Ebene der damaligen Landesherren passiert ist. Wer mit wem gesprochen, geplant und sich geschrieben hat.

 

Vieles, was mich wirklich interessieren würde, bleibt aber im Dunkeln: Was ist in den Menschen vorgegangen, die hier beteiligt waren? Wie sehr waren die Limpurger Herren tatsächlich von dem, was Luther gesagt und geschrieben hat, berührt? – Oder war es doch nur machtpolitisches Kalkül?

Bei der Episode von der gewaltsamen Räumung des Pfarrhauses ist man ja versucht, ein wenig zu schmunzeln. Schließlich ist es nie herausgekommen, ob Erbschenk Karl nicht doch diese hessischen Reiter als Rollkommando geschickt hat, um Gollhofen endlich lutherisch werden zu lassen. Denn andere Gemeinden in seinem Bereich – wie zum Beispiel Sommerhausen – waren ja schon länger evangelisch. Aber so lange der “alte” Pfarrer noch da war, hat sich Erbschenk Karl nichts verändert  – anscheinend mit Rücksicht auf den Bischof in Würzburg.

 

Das ist der Blick auf  “die Großen”. Die kleinen Leute, die Gollhöfer Bürger und auch der Pfarrer blieben irgendwie im Hintergrund. Sie waren in konfessioneller Hinsicht sowieso machtlos. Damals durfte nicht jeder Mensch selbst entscheiden, ob er evangelisch oder katholisch sein wollte. Der jeweilige Landesherr hatte das Sagen. Wenn der Fürst, Markgraf oder Herr beschloss, dass es besser sei evangelisch zu sein, wurde das in die Tat umgesetzt – und diese Entscheidung galt für sein ganzes Herrschaftsgebiet. Wer regierte, der bestimmte auch die Konfession seiner Untertanen. Ausnahmen wurden nicht gemacht.

 

Wenn von heute auf morgen Gollhofen durch Beschluss des Erbschenken Karl und durch die Einsetzung eines evangelischen Pfarrers lutherisch wird, ist noch die Frage, wie die Menschen damit umgegangen sind.

Wir können vermuten, dass die Gollhöfer schon vor der offiziellen Reformation in ihrem Dorf mit dem Gedankengut des Martin Luther vertraut waren. Durch den Buchdruck waren seine Schriften überall im Land bekannt. Und vieles von dem, was Luther veröffentlichte, stieß bei den Menschen auf offene Ohren. Schließlich ging es um Freiheit, um Veränderungen von kirchlichen Herrschaftsstrukturen, unter denen viele Menschen litten. Aber ob sie mit allem einverstanden waren, was sie über Luther gehört hatten, wissen wir nicht.

 

Ich denke, dass das, worum es Luther bei der Reformation ging, langsam Stück für Stück in Gollhofen Einzug gehalten hat. Von Sonntag zu Sonntag, von Predigt zu Predigt, von Gespräch zu Gespräch, das Menschen mit dem neuen Pfarrer Christoph Zeller geführt haben, wurde deutlicher, worum es Luther gegangen war.

 

Ich kann mir vorstellen, dass die Bibel einen neuen Stellenwert in der Gemeinde gewonnen hat. Zuvor war oft der Satz zu hören: „Dies oder jenes gilt, weil es ein Konzil, oder der Papst, und ein Bischof so bestimmt hat.“ Für Luther konnte es nur heißen: „Das, was in der Bibel steht, was das Wort Gottes uns sagt, das gilt für uns.“ Nicht die Tradition, nicht andere Personen, auch nicht das was gerade „in“ ist gilt – die Bibel wurde nun zum  alleinigen Maßstab für das, was christlich ist.

 

Und sicher hat Pfarrer Christoph Zeller über die wichtigste Entdeckung Luthers oft gepredigt: Die Rechtfertigung des Christen allein aus Gnade. In jenen Tagen wurde den Gollhöfern wahrscheinlich deutlich, dass das Ansehen des Christen vor Gott nicht von seinen guten Werken abhängt. Und dass sein Stand vor Gott auch nicht davon abhängt, ob er am Kirchweihtag oder am Barbaratag in der Kirche Sankt Johannis den von Papst Alexander bestimmten Anlass erhalten hat.

Der Grund für Gottes Vergebung liegt nicht in meinem Handeln, sondern im Handeln Jesu Christi, der für uns am Kreuz gestorben ist.

Für uns erscheint das gar nicht neu. Damals, vor 453 Jahren war es für viele sicher nicht leicht, von dem Gedanken Abschied zu nehmen, selbst etwas für sein eigenes Seelenheil tun zu können. Zu hören, dass allein das Vertrauen auf Jesus Christus, der Glaube, uns vor Gottes Augen gerecht macht.

 

Liebe Gemeinde,

ich denke, es ist bis heute nicht einfach, im eigenen Kopf und Herz das Gute, das man tut, nicht als Verdienst vor Gott zu sehen, sondern lediglich als Dankeschön an seinem Gott.

Ich merke es bei mir selber. Wenn ich meinen eigenen Ansprüchen an mein geistliches Leben  gerecht werde, dann fühle ich mich gut, und irgendwie in Gottes Augen wertvoller, als wenn ich mal wieder eine Phase habe, in der ich an mir selber zweifle und mit meinen eigenen Unfähigkeiten hadere.

Da muss ich mir dann selber wieder sagen. Liebes Menschenkind, du musst nicht der Held sein, damit Gott dich akzeptiert. Allein das Vertrauen auf Jesu Tod und Auferstehung reicht. – Alles andere bekomme ich geschenkt.

 

Wie haben hier die frisch restaurierten Abendmahlsgeräte stehen.  Sie stehen ja auch für ein Geschenk. Das Ehepaar Fries hat 1661 diese Teile gestiftet. Nach einem Kirchenraub waren nämlich die Abendmahlsgeräte zumindest teilweise verloren. Und diese Wirtsleute Fries haben wohl eine erhebliche Summe aufgewendet um der Gemeinde zu ermöglichen wieder mit würdigen Gefäßen Abendmahl zu feiern.

Das beeindruckt mich, wenn Menschen großzügig mit ihrem Geld, ihrer Zeit oder ihrer Liebe umgehen – für die Sache Gottes. Und das ist ganz vielfältig. Wir haben auch in der Gegenwart Menschen, die Geld für unsere Kirche spenden. Oder Leute, die viel ihrer Freizeit opfern im Posaunenchor, im Kindergottesdienst, im Kirchenvorstand oder sonstigen Gruppen und Kreisen.

 

Als Gemeinde sind wir auf solches Engagement angewiesen. Aber wir können nichts im Gegenzug anbieten. Ich kann nicht sagen: Danke, dafür werden sie bei Gott einen Stein im Brett haben … oder in Zukunft vor Schicksalsschlägen bewahrt … oder in besonderer Weise gesegnet.

Ich kann als Pfarrer einem großartigen Geld- oder Zeit-Spender nichts anderes versprechen, als das, was ihm als glaubenden Christen sowieso schon zugesprochen ist: Die Verheißung des ewigen Lebens, die Vergebung der Sünden und Gottes Gegenwart, sein Segen.

Was wirklich wichtig ist, bekomme ich geschenkt, das wurde mit der Reformation deutlich. Auf dieser Basis kann man in und mit der Kirche keine Geschäfte machen. – Aber das ist wohl auch nicht nötig.

 

Die Kirche als ein Ort, an dem beschenkt wird und an dem man weiterschenkt, was man hat.

Ein schöner Ort – ein Gotteshaus – kein seelischer Einkaufstempel.

Gott sei Dank, dass wir ihn haben – an dieser Stelle schon seit 512 Jahren

 

Amen

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