Predigt: Warten auf Rettung (Lied EG 20: Das Volk, das noch im Finstern wandelt) 2. Dezember 2007, 1. Advent 2007

Liebe Gemeinde,

Das Volk, das noch im Finstern wandelt, bald sieht es Licht, ein großes Licht. Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.
Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen, wo Tod den schwarzen Schatten wirft: Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen. (EG 20, Verse 1+2)

Das haben wir eben gesungen. Kann man das auch erleben?

 Im Dunkel auf die Schritte des Befreiers warten

Ich denke da an Old Shatterhand…
Es war Nacht – fast stockfinster – nur eine dünne Mondsichel ließ schemenhaft das Lager der Kiowa-Indianer erkennen. Mit den Händen an den Rücken war er an deren Marterpfahl gefesselt. Sie hatten ihn vor vier Tagen gefangen genommen und hielten ihn für einen Verräter, und machten ihn für den Tod des Häuptlingssohnes verantwortlich. Er ahnte, dass seine Hinrichtung nur ein Frage der Zeit war. Vergeblich hatte er versucht, sich zu befreien, doch die Stricke, mit denen er an den Marterpfahl gebunden war, konnte er nicht zerreißen. So stand er da, das Holz des Pfahls im Rücken, und hob den Kopf. Er starrte in die Finsternis. Versuchte, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Hielt manchmal den Atem an, um in die Stille der Nacht hineinzulauschen. Da hörte er hinter sich ein Geräusch. Den Ruf eines Käuzchens … oder war es vielleicht doch ….

Old Shatterhand lauschte weiter. Ein leises Rascheln hinter ihm, der Laut von vorsichtig aufgesetzten Füßen, dann hörte er jemanden hinter sich atmen.  „Winnetou?” fragte er in die Stille hinein. „Sei still, Blutsbruder” kam es zurück, und dann hörte er das Geräusch eines Messers, das seine Fesseln mit schnellem Schnitt durchtrennte .

Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.
Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.

Es war wohl der vermeintliche Ruf des Käuzchens, der Old Shatterhand aufatmen ließ.  Im Film dazu würde bereits jetzt leise die erlösende Erkennungsmelodie einsetzen und für den letzten Zuschauer deutlich machen: Das Bleichgesicht ist gerettet. Winnetou kommt und wird ihn befreien … das steht außer Frage.

Im wirklichen Leben möchte mir das nicht so einfach gelingen.
Hinzuhören … wo höre ich die Schritte Gottes, wo klingt etwas so, dass ich das Gefühl bekomme, dass Gott unsere Welt zum Guten verändert? Dass er kommt!?
So sitze im Dunkel unserer Welt mit all ihren Schwierigkeiten und Elend und warte auf die leisen Schritte unseres Befreiers. Wo sind die Signale seines Kommens? Bin ich blind und taub für das, was sich tut? Vielleicht sind Gottes Geräusche und Zeichen auch so klein, dass ich die übersehe.

Wie gut, dass uns – wie im Film – notfalls die Erkennungsmelodie deutlich macht, dass sich etwas tut. Und wenn es die Melodie des Advents und des Weihnachtsfestes ist. Mit seiner Botschaft, dass Gott in unsere Welt kommt, um Fesseln aufzuschneiden und diese Welt zu verändern.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit”.

 Was wird sich tun, wenn es mal soweit ist?

Wie sieht sie eigentlich aus, diese Herrlichkeit? Im Lied lese ich:

Er kommt mit Frieden. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.
Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt in vollem Lauf.
Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf und ruft: »Uns ist ein Kind geboren!« (EG 20, Verse 3+4)

Der Holländer Schulte Nordholt, der das Lied verfasst hat, lehnt sich an ein Kapitel aus dem Propheten Jesaja an, und zugleich spürt man, dass er darin auch seine Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg verarbeitet hat.
Seine Hoffnungen sind einfach und pr ägnant: Frieden statt Krieg, das Ende einer bitteren Zeit. Aber auch Gerechtigkeit und die Hoffnung, dass Liebe nie vergeblich ist. Zuletzt: Der Tod des Todes, wobei offen bleibt, ob er damit das Ende des sinnlosen Sterbens im Krieg meint, oder tatsächlich die Entmachtung des Todes, weil wir auf die Auferstehung der Toten hoffen.

Und wenn man die Verse heute schreiben müsste? Wahrscheinlich würden neue Begriffe auftauchen:

Er kommt mit Arbeit, nicht mehr rennen, ǵnug Geld, gesund, Aufschwung und Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Videos auf der Seele brennen.
Die Umwelt geht nicht mehr verloren. Das Kapital verliert die Macht.
die Dritt-Welt hat sich aufgemacht, ist endlich frei von Diktatoren.

Jede Zeit, jede Kultur hat ihre eigenen Erwartungen von dem, was Gott als Retter seiner Welt mitbringen sollte.Darum unterscheiden sich die Hoffnungen des Jesaja vor 2500 Jahren, des holländischen Liederdichters nach Kriegsende und der Familie aus dem heutigen Franken.
Und doch gibt es da eine Gemeinsamkeit: Man hofft auf das, was man vermisst; es sind die Punkte, an denen die eigene Welt aus dem Gleichgewicht gekommen ist. So ruht die Hoffnung auf eine geheilte Welt auf dem Heiland, der sie wieder ins Gleichgewicht bringt.

Der Retter will auch regieren

Man singt: Ein Sohn ist uns gegeben, Sohn Gottes, der das Zepter hält,
der gute Hirt, das Licht der Welt, der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Noch andre Namen wird er führen: Er heißt Gottheld und Wunderrat
und Vater aller Ewigkeit. Der Friedefürst wird uns regieren! (EG 20 Verse 5+6)

 

Liebe Gemeinde,
das letzte Sätzchen kommt uns so bekannt vor, nicht zuletzt von „Macht hoch die Tür”. Und doch steht da etwas, was wir gerne übersehen. Der, der unsere Welt ins Gleichgewicht bringen soll, ist einer, der regiert. – Und wer regiert, der hat auch etwas zu sagen! Der hat Richtlinienkompetenz, darf mir etwas abverlangen, und sagen, wo es lang geht!

Der Heiland als Regent. Nicht als Arzt, der im Zuge einer Vollnarkose ein Kniegelenk austauscht: ich wache auf, und alles ist in Ordnung. Er ist der Herrscher, der mir Regeln gibt, mir etwas abverlangt: Treue und Glauben ihm gegenüber.

„Christus, der Retter ist da”, heißt es im Lied „stille Nacht”. Bei Retter denke ich da schnell an Rettungshubschrauber, die selbst in entlegenste Alpentäler fliegen um verletzte Bergsteiger auszufliegen. Die ärgerlichen Nebenfolgen hat die Bergwacht bereits auch entdeckt: Immer wieder wagen sich unerfahrene Urlauber ohne brauchbare Ausrüstung in hochalpines Gelände, mit dem Bewusstsein: Wir haben ja ein Handy, da können wir notfalls einen Rettungshubschrauber anfordern.

Unsere Verse hier sprechen von einer anderen Art von Rettung. Von einer, die auch dem Getetteten etwas abverlangt. Müssen wir doch noch einmal zu Winnetou und Old Shatterhand?

Sie wussten, mit dem Durchtrennen der Fesseln waren beide noch nicht in Sicherheit. Zunächst krochen sie geräuschlos auf allen Vieren vom Marterpfahl in den Schutz des nahen Gebüsches. Mit elastischen Schritten, zugleich aber stets geduckt lief Winnetou auf einem verschlungenen Weg durch die spärlich bewachsenen Hügel der Prärie. Old Shatterhand folgte ihm stets mit nur wenigen Schritten Abstand. Es ahnte, den Grund für diesen verschlungenen Weg, den Winnetou eingeschlagen hatte, sicher hatte er zuvor ausgekundschaftet, wo die Aiowas ihre Wachposten aufgestellt hatten. Old Shatterhand war sich sicher. Jede eigenmächtige Aktion hätte für sie das Ende bedeuten können; so vertraute er dem Häuptling der Apachen. So blieb er exakt auf dem Weg, der er ihm vorgab. Hatte er doch schon oft erlebt, dass das Vertrauen das er in ihn gesetzt hatte, nicht enttäuscht worden war.

 

Liebe Gemeinde,

Vertrauen und Rettung gehören zusammen. Bei Karl May und im Advent.

Amen

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