Predigt: Menschenfischer – Ins Wasser fällt ein Stein (Anspiel mit Predigt) 22. Juni 2008, Gemeindefest

Ins Wasser fällt ein Stein

Anspiel und Predigt zum Thema „Menschenfischer sein“

Anspiel: Szene im Clubhaus der Menschenfischer

Erzähler:
Folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen! – Das hat Jesus einst zu seinen Jüngern gesagt. Und sie haben viele Menschen gefischt. Oft haben sie sie herausgefischt aus schwierigen Situationen, aus menschlicher Not und Verzweiflung, und sie ans rettende Ufer gebracht.
So wurden sie zu einer richtigen Menschen-aus-der-Not-herausfisch-Organisation. Und sie haben sich schnell verbreitet, denn ihre Botschaft von der Rettung war den Leuten willkommen.
Werfen wir einmal einen Blick darauf, was aus dieser Truppe inzwischen geworden ist.

Personen: (P) Präsident Meier und (S) Sekretärin Lisa
Sekretärin blättert geschäftig im Aktenordner, der Präsident kommt jovial heiter von der Seite dazu

 

P Und wieder schenkt und der Herr einen schönen neuen Tag! Wohlan, lasst uns unser Tagwerk beginnen. Was gibt es denn neues, Fräulein Lisa?

S Herr Vereinspräsident, sie haben um 9:30 Uhr einen Termin beim Bürgermeister, da geht es um die Verbreiterung der Zufahrt zum Vereinshaus. Mittags ein Geschäftsessen mit einem Vertreter für Yachtbedarf. Um 14 Uhr Treffen mit dem Kassier, er würde gerne wissen, wofür wir die Überschüsse des letzten Geschäftsjahres verwenden. Um 16 Uhr werden sie bei unsrer Jugendabteilung erwartet, dort sollen sie den Trainer der Kindergruppe für treue Verdienste auszeichnen. Und am Abend ist Vorstandssitzung im Herrensalon des Vereinshauses.

P Volles Programm – hoffentlich bringe ich da heute nichts durcheinander.

S Haben sie schon auf den Brief des Landrats geantwortet?

P Natürlich sofort, Es ist mit ja schon eine besondere Freude gewesen …. so ein Verdienstkreuz bekommt man ja nicht alle Tage ! „Für die großen Verdienste unseres Vereins im Sinne des Rettens von Menschen”. Was sind wir doch für eine wunderbare Einrichtung. Wir sind, wie so oft, in aller Munde.

S (träumerisch seufzend) Naja, … früher wars auch ganz schön …

P Wie meinen sie das?

S Eben früher, als wir noch in der alten Hütte direkt am See hausten. Ein kleiner Werkstattofen hat uns gewärmt, und wir sind bei Wind und Wetter raus auf den stürmischen See, um Schiffbrüchige zu retten.

P Schon richtig … naja … aber da sieht man, wie man sich entwickeln kann! Von einer kleinen Bruchbude zum bedeutenden und angesehenen Sozialunternehmen. Mit einem Großraumbüro in bester Innenstadtlage.

S Ich werde es nie vergessen: In dieser stürmischen Herbstnacht, als wir dieses Geschwisterpaar aus dem Wasser gezogen haben. Fast wären wir selber ertrunken – aber die dankbaren Gesichter der Kinder – sowas vergisst man nie …

P Diese harten Zeiten sind ja vorbei. Für die Rettung haben wir ja jetzt die Diakonietruppe. Die erledigt das für uns; die sind ja auch spezialisiert.

S Aber Herr Vereinspräsident, unser Anführer von damals, wenn er noch unter uns wäre, was würde der wohl sagen, wenn er uns so sehen würde.

P  „Prächtig hat ihr euch entwickelt! Ich bin stolz auf euch!” …. so eine dämliche Frage … (geht ab)

S (Telefon kligelt) Menschen-aus-der Not-Fischer e.V., was Lisa Lauter am Apparat, was kann ich für sie tun? Was, Kinder auf einem Floß in Gefahr? Äh, ja da müssten sie eigentlich ganz woanders anruf … (hält kurz inne) – Ach ….  wo ist es genau ?  Ok, in einer Viertelstunde bin ich da! (rennt raus)

 

Ansprache

„Prächtig habt ihr euch entwickelt! Ich bin stolz auf euch!” – soll das wirklich gewesen sein?  Dem Club gehts so gut wie nie, und zugleich befindet er sich in einem erschreckenden Zustand.

Dem Menschen-aus-der-Not-fischer-Verein ist irgendetwas abhanden gekommen, vielleicht das Feuer, die Begeisterung, der Schwung von damals. Was einmal so gut angefangen hat, ist irgendwie eingeschlafen. Jetzt wird noch das gute Image von damals verwaltet. Aber in der Gegenwart ist vieles erlahmt und erkaltet.
Diesen Schuh muss sich auch unsere Kirche öfter mal anziehen. Ein Philosoph – Rüdiger Safranski –  hat den Begriff „kalte Religion” geprägt. Das was einst prägend war, feurig wie glühende Lava, ist inzwischen erstarrt und erkaltet.
Kirche ist in vielen Bereichen ein wichtiger und unverzichtbarer Faktor, hat leistungsfähige Strukturen, und gestaltet das Leben der Gesellschaft mit. – Aber sie ist meilenweit weg von der Dynamik und Begeisterung, die Jesu Jünger damals bewegt hat, als sie sich aus dem Stand heraus als Menschenfischer mit unbekanntem Ziel von Jesus anwerben ließen

Da ließe sich wunderbare kirchenkritisch auftrumpfen und eine Riesenveränderung fordern – wenn wir vergessen würden, das WIR ALLE Kirche sind. Das heißt also: Wir gehören alle mit zu diesem Menscherfischer-verein, der sich in den letzten 2000 Jahren beträchtlich verändert hat.
Und die Welt um uns herum hat sich auch verändert – „heiße” statt „kalte Religion” sieht heute sicher anders aus, als zur Zeit der ersten Jünger; aber dass da Leidenschaft, Feuer dazugehört, liegt nahe.

„Ein Funke kaum zu sehn, entfacht doch helle Flammen. Und die im Dunkeln stehn, die ruft der Schein zusammen. Wo Gottes große Liebe in einem Menschen brennt, da wird die Welt vom Licht erhellt, da bleibt nichts, was uns trennt!”

Das Feuer muss in uns selbst entzündet werden. Durch einen kleinen Funken! Da muss ich nicht mit Gewalt alles umkrempeln wollen und Dinge verändern, die noch nicht zur Veränderung reif sind: Ein kleiner Funke – der Schritt für Schritt helle Flammen entfacht – der unaufhaltsam wirkt.  – Ist das der Weg, der den Menschenfischerverein und seine Mitglieder verändern wird?

Das gilt für wohl für alle Bereiche des Leben. Ein kleiner Schritt – ein kleines Wort – ein kurzer Anruf – eine versöhnende Geste kann der Impuls, der Anstoß sein, Dinge zu verändern. Sogar solche, die schon ewig verkrustet und unveränderlich schienen.

Vielleicht wie bei Phil Fontaine, dem Indianerhäuptling in Kanada. Als kleiner Junge wurde er in den 50-er Jahren, wie Tausende anderer Indianerkinder seinen Eltern weggenommen und in eine Umerziehungs-Schule gebracht. Der Staat Kanada hatte vor, die Indianer zu zivilisieren. Dort wurde er, misshandelt, seiner indianischen Kultur beraubt, und missbraucht. Sein Leben lang kämpft er mit den Folgen – und er kämpfte gegen dieses staatlich gebilligte Unrecht, das ihm und vielen anderen angetan worden war. Über Jahrzehnte ein vergeblicher Kampf der ihn auffraß und innerlich hart machte.
Vor 11 Tagen geschah, was viele nicht mehr für möglich gehalten hatten: Der kanadische Premierminister entschuldigte sich offiziell und ohne Umschweife für das Unrecht, das sein Staat Tausenden von Indianerkindern zugefügt hatte.
Nur wenige Sätze war diese Erklärung lang – Häuptling Phil Fontaine weinte vor Glück – auf diesen kleinen Schritt hatte er so lange gewartet. Endlich. „Dieser Tag”, so wird er von den Zeitungen zitiert, „wird uns helfen, den Schmerz hinter uns zu lassen.”

Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise, und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise. Wo Gottes große Liebe in einem Menschen fällt, da wirkt sie fort in Tat und Wort hinaus in uns’re Welt.

Kleine Anfänge – unscheinbare Schritte – die brauchen wir immer wieder, wenn wir uns als Menschen oder als Gemeinde verändern möchten. Viellicht muss ich einmal einen kleinen Stein ins Wasser werfen, und hoffen, dass sich daraus weite Kreise entwickeln.
Und manchmal bin ich der, der entdeckt, dass da ein Funke, eine Idee aufleuchtet, die etwas entzünden und verändern könnte. Dann ist es die Frage, ob ich bereit bin Feuer zu fangen, so wie die Sekretärin Lisa Lauter im Menschenfischer-verein. Oder ob ich innerlich den Feuerlöscher zücke und den kleinen Flämmchen den Garaus mache.

Zwei Dinge gehören dazu:
– Selber einen Anfang machen, kleine Schritte zu einem großen Ziel gehen.
– Und: Wahrzunehmen, dass andere etwas verändern, und dann zu sehen, ob man diese Bewegung mitträgt, sich mittragen lässt.

Welche Chance hat einer der am kommenden Sonntag nach 10 Jahren zum ersten Mal wieder einmal drüben in unsere Kirche kommt? Der so einen ersten Schritt wagt, nach langer Zeit? Wer lässt sich von diesem Funken anstecken, rutscht mal rüber  und signalisiert: „Hey, toll dass du kommst, ich freue mich, dass du da bist.” Oder muss er damit rechnen, dass hinten einer flüstert: „Schau da, was will denn der in der Kirch ….?” – Da sehen wir, wie eisig „kalte Religion” werden kann.

Bleiben wir offen für einander, für Anstöße, Veränderungen, vielleicht sogar für Leidenschaft. Damit wir als Menschenfischer Glauben leben – und nicht nur verwalten.

Ich möchte ihnen heute etwas mitgeben – einen kleinen Stein – so einen, der Kreise zieht, wenn an ihn ins Wasser wirft. Er soll sie dran erinnern, wie wichtig es ist, mit Kleinigkeiten anzufangen, um etwas zu verändern. Und sich auch entzünden zu lassen, wenn der passende Funke kommt.

Ins Wasser fällt ein SteinDieser Stein trägt nur wenige Wörter, um Sie an diese wichtige Bewegung zu erinnern:
„na …”
„los gehts”
„auf …”
„und …?”
„hopp etzt”

Unsere Kirchenvorsteher haben beim Beschriften viel Phantasie bewiesen. Nehmen Sie diesen Stein mit heim.  Ich weiß, er ist kein Schmuckstück – räumen sie ihn irgendwo hin -da wird er sie jedesmal beim Staubwischen dran erinnern.

Irgendwann wandert das blöde Ding aufs Fensterbrett – auch dort werden die mal wieder draufschaun. Irgendwann verschwindet er in den Tiefen einer Schublade … macht nichts, irgendwann bei der Suche nach dem Impfpass fällt er ihnen wieder in die Hände – so wie die Frage nach den kleinen Anstößen im Leben nie erledigt sein wird … so lange wir keine Behörde sind.
Amen

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.