Predigt: …dann wird es wohl der Heilige Geist gewesen sein (Johannes 14, 23-27) 31. Mai 2009 Pfingstsonntag

23 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.
24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.
25 Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin.
26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. (Johannes 14, 23-27)

Wo ist das Matheheft hin?

„Aber gestern war das Matheheft noch auf dem Schuhschränkchen gelegen! Hier neben den Filzpantoffeln.”  Mit hochrotem Kopf steht Martin vor seiner Mutter. „Das weiß ich ganz genau!“„Mein lieber Sohn, ich weiß́genau, dass ich dein Heft nicht weggenommen habe. Das wirst du, gedankenversunken, wie du bist, irgendwann in dein Zimmer geschleppt und dort unter deinem Spielzeug verschusselt haben.“
„Nein, nein, nein, habe ich nicht!“. Aber bevor Martin explodieren kann, wendet sich seine Mutter in Richtung K üche und meint nur „na, wenn Du es nicht weggetan hast, dann wird es wohl der Heilige Geist gewesen sein….“

Der Heilige Geist? Klaut der Hefte?
Was wird dem kleinen Martin wohl im Kopf herumgehen, wenn in der Schule der Relilehrer von Pfingsten spricht, und vom Heiligen Geist, der von da an in der Gemeinde am Wirken ist. Ja, den Heiligen Geist kenne ich von daheim. Das ist der, der mein Matheheft einmal vom  Schuhschrank in die Playmobilkiste bewegt hat. Ganz von alleine!

Liebe Gemeinde,
immerhin hat Martin nun ein halbwegs klares Bild, was er sich unter dem Heiligen Geist vorstellen soll. Wahrscheinlich im Gegensatz zu seiner Mutter, die wie die meisten Erwachsenen, eher verlegen nach Worten suchen wird, wenn man fragt: „Was ist eigentlich der Heilige Geist?”
Unser Predigttext, den wir in der Evangelienlesung gehört haben, beschreibt mit Jesu Worten, was das ist – der Heilige Geist. Und er hält sich gar nicht auf mit der Fragestellung, wie man sich „Geist” vorstellen kann, sondern er beschreibt einfach, was passiert, wenn der Heilige Geist am Wirken ist:

Der Geist, der erinnert

Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Erinnerung an Worte, Bilder, Lieder, die uns mit Jesus Christus verbinden. Das kann manchmal Gold wert sein, wenn diese Worte und Bilder im richtigen Moment wieder da sind: Sie schlummern ja manchmal lange unbesehen in den Schubladen unseres Langzeitgedächtnisses. Verse, biblische Geschichten, Psalmen, Predigtfetzen, kurze Szenen aus Schule oder Konfirmandenunterricht. Ungenutzt, kaum geschätzt, weggeräumt.

Aber dann kommt der Moment ihres Auftritts. Alles eine Frage des richtigen Timings. Wann kommt die Erinnerung an das Gebot, du sollst nicht ehebrechen? Schon an der Bar im Hotel auf der Geschäftsreise, oder doch erst auf dem Weg mit der fremden Frau nach oben ins Zimmer?
„Aber der Tröster, der Heilige Geist,,der wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.”
Im Krankenhaus in den endlosen Stunden des Wartens auf neue Erkenntnisse, auf ein freundliches Wort, auf einen Besuch. Da kommt er: Ein Psalm, die Erzählung von Jesus, der den bedrohlichen Sturm auf dem See Genezareth stillt.
Das richtige Wort, die richtige Erinnerung im passenden Moment. Ein Zwischenruf Gottes in mein Leben. Das brauchen wir auf unserem Weg durchs Leben, dass Gott mich anspricht; dass ich nicht taub werde für seine Hilfe und seine Ermahnung.„Aber der Tröster, der Heilige Geist,,der wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe

Gott nimmt Wohnung bei mir

Pfingsten – Ausgießung des Heiliges Geistes, das bedeutet mehr, als dass uns Gott ein nützliches Kommunikationswerkzeug mitgibt. Es geht um mehr: Wer mich liebt, sagt Jesus, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.
Geist Gottes heißt auch: Gott wohnt in mir. Geist als der Aggregatszustand, in dem Gott in mir Menschenkind gegenwärtig ist.
Der Allmächtige hat sich in Jesus klein gemacht, damit er auf unserer Welt Platz hat – er dort sein kann, ohne dass alles in seinem göttlichen Licht vergeht. Und im Heiligen Geist geht er einen Schritt weiter, kommt in den einzelnen Menschen hinein, nimmt dort seine Wohnung.
Der Gedanke, dass Gott mir nah ist, der hat darin seine Berechtigung. Dass er mit mir durch gute und schlechte Zeiten hindurchgeht. Gott bei mir und in mir.

Aber geht das so einfach? Ist da überhaupt noch Platz in mir für mich, wenn Gott drin wohnt?  Passen wir denn wirklich so gut zusammen? Ich, mit meinen Fehlern, Schwächen, Leidenschaften und Abgründen. Oder andersrum gefragt: Ist diese Wohnung überhaupt für ihn beziehbar? Bin ich ihm gut genug, oder gefällt es ihm bei meinem Nachbarn besser?
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.
Ja, Jesus lieb habe ich dich, schon. Du bist für mich der, an dem ich mit meinem Leben hänge, aber: Dein Wort halten? Ich nehme es ja ernst, aber das ist nicht so einfach. Vieles hast du selbst erklärt, aber es bleiben doch so viele Fragen offen, wie du manches gemeint hast. Und vieles, was du uns Christen abverlangst, fällt mir schwer. Mich selbst verleugnen, 70×7 mal dem Anderen vergeben, nicht dem Geld dienen, seine Feinde lieben. Wie ich es drehe und wende, biege und deute; es bleibt mir eine lebenslange Aufgabe, die nicht so einfach zu erfüllen ist. Es wird dir nicht immer leicht fallen, in mir zu wohnen.

Liebe Gemeinde,
Gottes Geist in uns – das ist nicht die Beschreibung des paradiesischen Zustandes der von Gott beseelten heiligen und perfekten Christengemeinde. Gottes Geist in uns – das ist ein Miteinander von Gott und Mensch. Mit meinen ganzen hin- und-hergerissen sein.  Und vielleicht ist mein „über-mich-selber-verzweifeln” gerade ein Indiz für den Geist Gottes in mir, der mich nicht trotz meiner Unzulänglichkeiten nicht aufgibt.

Luther hat gesagt: Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles,es reinigt sich aber alles.

Geist als Geheimnis

Wie das geht, bleibt für uns ein Geheimnis. Viellicht doch so ähnlich, wie es der Schüler Markus bei der Suche nach seinem Matheheft vom Schuhschränkchen erlebt hat. So sehr er seine Mutter missverstanden hat, so sehr hat er begriffen, dass Heiliger Geist eben im Verborgenen wirkt.

Gottes Geist, der Dinge oder Menschen auf  für uns rätselhafte Weise in Bewegung bringt. Veränderungen bewirkt, die wir uns nicht so einfach erklären können.
Menschen, die aus sich herausgehen, über den eigenen Schatten springen und Leben aus dem Glauben heraus gestalten.
Gemeinschaft, die zwischen Menschen wächst, die eigentlich so unterschiedlich sind, dass man kaum einen gemeinsamen Nenner ausmachen könnte.
Predigthörer, die den verquirlten Gedanken des Pfarrers nur mit Mühe folgen können, aber doch einen Gedanken mitnehmen, der eine ganze Woche lang ihr Denken begleitet.

„na, dann wird es wohl der Heilige Geist gewesen sein….“

Amen

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